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Renaissance des E-Mail-Marketing: Auf den Fersen von Social Media

Jeder Vierte steigert Versandfrequenz. Potenzial von Zero-Party-Data nur selten genutzt. 34 % sind bereits für Googles Sender Guidelines.
absolit Consulting | 24.04.2024
E-Mail auf den Fersen von Social Media © absolit Consulting
 

Obwohl die E-Mail nie wirklich von der Bildfläche verschwunden ist, verlässt sie – ähnlich wie andere eigentlich traditionelle Marketinginstrumente, sei es Marketing Mix Modeling oder kontextuelles Targeting, zunehmend ihr Schattendasein und tritt ins Rampenlicht moderner Marketingstrategien. So hat jedes vierte Unternehmen seine E-Mail-Marketing-Aktivitäten signifikant gesteigert, was fast eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr darstellt.

Damit macht die E-Mail nicht nur einen riesigen Sprung nach vorne, sondern hängt sich auch an die Fersen von Social-Media-Marketing - hier steigerten 2023 rund 28 Prozent ihre Posting-Frequenz über alle Kanäle.

Trotz dieser Fortschritte ist die praktische Umsetzung des E-Mail-Marketing noch immer von Kinderkrankheiten übersät, die Marketern seit Jahren und teilweise gar Jahrzehnten bekannt sein sollten.

Diese zentrale Erkenntnis liefert die fünfte Auflage der "E-Mail-Marketing Benchmarks 2024". Analysiert wurden 5.001 Unternehmen aus 246 Sektoren auf 169 Kriterien. Die Studie entstand in Kooperation zwischen dem DDV Deutscher Dialogmarketing Verband e.V. und absolit Dr. Schwarz Consulting. Alle Key Findings im Detail gibt es als Download unter: absolit.de/email

Zero-Party-Daten: Wichtige Fragen bleiben unbeantwortet

Dass relevante Kommunikation entscheidend ist, um Leser zu binden, ist längst kein Geheimnis mehr. Doch die eigentliche Herausforderung liegt darin, die richtigen Daten zu sammeln, um Kunden wirklich verstehen zu können. Die direkteste Methode? Einfach nachfragen.

Daher ist es erfreulich, dass zunehmend mehr Unternehmen die Anmeldung zum Newsletter nutzen, um mehr über ihre Leser zu erfahren. Leider beschränkt sich die Datenerhebung oft noch auf Basisinformationen wie Name oder Anrede (78 Prozent). Eine persönliche Ansprache mag freundlich wirken, macht die Kommunikation jedoch nicht zwingend relevanter.

41 Prozent der Unternehmen tauchen tiefer und erheben Daten über die bloße Namensnennung hinaus. Doch weniger als die Hälfte dieser Firmen fragt nach spezifischen Interessen oder Themenpräferenzen der Nutzer (18 Prozent). Noch seltener werden konkrete Herausforderungen, das Nutzungsverhalten oder Budgets abgefragt — Bereiche, die echte Einblicke in die Bedürfnisse, Wünsche und das Konsumverhalten der Kunden bieten könnten. Letzteres findet man nur bei jedem Hundertsten.

E-Mail-Strategie: Mehrwert für Kunden oft unklar

Eine Permission ist idealerweise ein fairer Tausch: Der Interessent stellt seine Kontaktdaten und die Erlaubnis zur Werbekommunikation zur Verfügung, und im Gegenzug erhält er vom Unternehmen einen handfesten Vorteil, der ihn dafür entlohnt. Doch bei rund einem Drittel der Untersuchten muss man die Einwilligungserklärung genau durchforsten, um überhaupt einen Vorteil zu entdecken oder es wird kein Vorteil kommuniziert.

Wird ein Anmeldegrund genannt, so ist dieser häufig der, keine Inhalte, News oder Angebote zu verpassen. Obwohl dies einen Nutzen darstellt, beschreibt es im Wesentlichen nur, was ein Newsletter ohnehin leisten sollte, und bietet auch nur wenig Differenzierung zum Wettbewerb. Ein tatsächlich exklusiver Vorteil, der ausschließlich Abonnenten vorbehalten ist, oder ein klares Nutzenversprechen bieten indes lediglich 31 Prozent der Unternehmen.

„Das häufige Fehlen eines klar definierten Vorteils spiegelt oft eine tiefere strategische Lücke wider: Viele Unternehmen haben keine ausgereifte Strategie, um durch ihre E-Mail-Kommunikation echten Mehrwert beim Leser zu schaffen.“, fügt Studienautor Dr. Torsten Schwarz hinzu.

Kundenbeziehungen beginnen oft mit Fehlstart

Ein Nutzer entdeckt ein Formular, füllt es aus, öffnet sein Postfach, bestätigt die DOI-Mail und bekundet damit konkretes Interesse an den Inhalten oder Produkten des Unternehmens. Die Aufmerksamkeit ist auf dem Höhepunkt, die Beziehung frisch und vielversprechend. Was folgt? Bei 68 Prozent der Unternehmen heißt es, geduldig auf den nächsten Newsletter zu warten — im schlimmsten Fall vier Wochen oder gar noch länger.

Bis dahin ist das Unternehmen nur einer von vielen Absendern im Posteingang und die mühsam gewonnene Aufmerksamkeit muss erneut erkämpft werden. Jedes dritte Unternehmen ergreift hingegen die Initiative, um neue Leser sofort mit einer Willkommensmail zu begrüßen. 13 Prozent davon sogar mehrstufig.

Allerdings zeigt sich auch ein Optimierungsbedarf: 20 Prozent limitieren ihre Kommunikation auf eine bloße Anmeldebestätigung, ohne zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten. Bei 42 Prozent der Unternehmen gibt es zwar Interaktionsmöglichkeiten, es mangelt aber an einer klaren Empfehlung für den nächsten Schritt — also einer Next Best Action/Offer zum Start der Kundenbeziehung.

Knapp zwei Drittel nicht DSGVO-konform

Auch sechs Jahre nach in Kraft treten der DSGVO ringen viele Unternehmen immer noch damit, fundamentale Anforderungen der Verordnung zu erfüllen. Trotz deutlicher Fortschritte in den letzten Jahren - und besonders in diesem Jahr - bleibt der allgemeine Stand weiterhin ernüchternd.

So erfüllen nur 37 Prozent der Anmeldungen alle rechtlichen Anforderungen. Eine verständliche Erläuterung, wie die Daten des Nutzers verarbeitet werden, fehlt bei 78 Prozent. Darüber hinaus informieren lediglich 15 Prozent der Unternehmen ihre Nutzer über das Tracking des Leseverhaltens oder das Bilden von Profilen. Eine Möglichkeit, letzterem zu widersprechen, bieten nur 4 Prozent.

Marketing und IT müssen stärker zusammenarbeiten

E-Mail-Marketing entwickelt sich zunehmend zu einer Disziplin, in der technische Fähigkeiten ebenso wichtig sind wie kreative Inhalte und ein tiefes Verständnis der Zielgruppe. Dazu zählt auch die Zustellbarkeit von E-Mails: Was einst eine Selbstverständlichkeit war, ist heute ein komplexes Feld, das von ständig wechselnden Richtlinien und technischen Anforderungen geprägt ist – auf die nur die wenigsten Unternehmen wirklich vorbereitet sind. So erfüllen nur rund ein Drittel die neuen Sender Guidelines von Google. Fehlerhafte DMARC-Konfigurationen bewirken, dass fast 50 Prozent der Unternehmen riskieren, dass ihre eigenen Mails fälschlicherweise als verdächtig eingestuft und somit ggf. von Mailbox-Providern blockiert werden.

Die häufigste Hürde ist dabei das Domain Alignment. Obwohl es durchaus Herausforderungen birgt, lässt sich diese Anpassung in der Regel mit der Unterstützung durch den E-Mail-Service-Provider in wenigen Stunden bewältigen.

E-Mail-Marketer müssen die Bedeutung technischer Aspekte erkennen und aktiv dafür sorgen, dass diese im Unternehmen Beachtung finden, denn nur eine korrekt zugestellte E-Mail kann zu marketingrelevanten Erfolgen führen.

300 Unternehmen trennen sich von bestehenden Dienstleistern

6 Prozent der Untersuchten haben im letzten Jahr das primäre Versand-Tool gewechselt - die am meisten favorisierte Alternative waren dabei Marketing Suites. Etwa die Hälfte der Wechsel erfolgte zu einer Komplettlösung aus einer Hand.

Dieser Uplift in der Nutzung von Marketing-Suites um drei Prozentpunkte markiert den größten Tool-Wechsel der Analysephase seit 2019.

Interessanterweise haben 18 Prozent genau das Gegenteil getan und haben ihre Versandinfrastruktur simplifiziert und sich für eine Lösung mit geringerem Funktionsumfang entschieden. Dies könnte zwei Entwicklungen signalisieren: Einerseits ein verstärktes Interesse an „Best of Breed“-Lösungen, die aufgrund ihrer spezialisierten Funktionalität geschätzt werden, und andererseits eine generelle Tendenz zur Vereinfachung von Prozessen und zur Reduzierung der Systemkomplexität sowie ggf. der Kosten des MarTech-Stacks.

Versandtag: Donnerstag bleibt beliebtester Versandtag

Donnerstag bleibt zum dritten Jahr in Folge der bevorzugte Versandtag für E-Mails, doch es zeich-nen sich Verschiebungen in den präferierten Versandzeiten ab. B2C-Unternehmen haben die Ver-sandaktivitäten am Wochenende erhöht: 21% versenden ihre E-Mails am Wochenende (2023: 17%). Zusätzlich versenden jetzt 10% der B2C-Unternehmen ihre E-Mails nach regulären Arbeits-zeiten zwischen 18 und 21 Uhr, verglichen mit 8% im Vorjahr. B2B-Unternehmen versenden ihre Mails zunehmend vor den regulären Arbeitszeiten, also vor 7 Uhr morgens, mit einem Anstieg von 19% im Jahr 2023 auf 24% im Jahr 2024.

E-Mail-Marketing hat seinen Platz neben modernen Marketingstrategien wieder gefestigt. Aller-dings müssen wesentliche Fragen in vielen Unternehmen erneut adressiert werden: Welche echten Vorteile bieten wir unseren Abonnenten, wie können wir die initiale Aufmerksamkeit unserer Leser langfristig halten und welche spezifischen Daten ermöglichen eine zielgerichtete Ansprache?