Psychologie des Dialogmarketings
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing
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http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit
Fachleute für Manipulation – Werbepsychologen kennen die Tricks, wie man Menschen zum Geld ausgebenden Konsumenten macht. Hinter diesem Vorurteil steckt oft die übertriebene Hoffnung, es gäbe einen einfachen Weg zum garantierten Erfolg. Gäbe es ihn, dann wären wohl alle Werbepsychologen Millionäre. Welche Chancen die Psychologie tatsächlich dem Dialogmarketing bieten, soll beispielhaft im Folgenden gezeigt werden. Zuerst wird erklärt, was Dialogmarketing und was Psychologie ist, dann wie Praktiker von den Ergebnissen der Psychologen profitieren können.
Dialogmarketing – ein breites Gebiet
Das heutige Dialogmarketing entwickelte sich aus unterschiedlichsten Wurzeln: der frühen Direktwerbung, dem Direkt-, dem Mobile- und dem Onlinemarketing. Heute beschränkt sich Dialogmarketing nicht mehr nur auf den Marketing-Mix- Faktor „Kommunikation“. Bruns [1] vertrat wohl als Erster im deutschsprachigen Raum diese Position in seinem Lehrbuch. Ähnlich konsequent sah es 2005 Wirtz in seiner Definition des Direktmarketings: „Als Instrumente werden hierfür sämtliche Elemente des Marketingmix in integrierter Form und zunehmend unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt“. Doch nicht nur der Begriff dehnte sich aus. Es gab weitere Folgen:
Entstehung einer Wissenschaft: Gerade die neuen, elektronischen Instrumente ermöglichen eine viel bessere, schnellere und präzisere Kontrolle des Verhaltens der Umworbenen. Dies führt zu besseren Untersuchungsmöglichkeiten. Manche sehen hier den Entstehungszeitpunkt einer Wissenschaft „Direkt- beziehungsweise Dialogmarketing“.
Betonung der Funktionen des Direktmarketings, wie etwa Schaffung eines individuellen Kundenkontakts, ein echter Dialog mit dem Kunden, die Erzielung einer messbaren Kundenreaktion, die Erreichung der Kommunikationsziele des Unternehmens oder die Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Die Funktion „einen Dialog mit dem Umworbenen (also Interessenten, Kunden) zu führen“ wird dabei besonders häufig in den Vordergrund gestellt, wie beispielsweise beim interaktiven Marketing oder dem One-to-One-Marketing [2].
Wie kann die Psychologie ein so breit verstandenes Dialogmarketing unterstützen? Beispielsweise zeigen schon viele Ergebnisse aus frühen „wissenschaftlichen“ Werken zum Thema „Mail“ [3, 4] eine große Verwandtschaft mit Teilen der Psychologie. So ähnelt der frühe Ansatz des Testmarketings dem in der Psychologie damals verbreiteten Stimulus-Response-Ansatz, der den Zusammenhang zwischen definierten Reizen und bestimmten Reaktionen untersuchte.
Psychologie
Heute ist die Psychologie die Wissenschaft vom Verhalten und den mentalen Prozessen des Menschen. Letztere sind subjektive innere Erfahrungen wie beispielsweise Träume, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Gefühle [5, S. 9]. Die verschiedenen Möglichkeiten der Psychologie für das Dialogmarketing sollen im Folgenden an einigen Beispielen vorgestellt werden. Zuerst zu den wissenschaftlichen Grundlagen.
Mehr Sicherheit für Dialogmarketing-Regeln
Wäre es nicht schön, es gäbe im Dialogmarketing Regeln und Ergebnisse, die als „sicher“ gelten und die sich auch auf zukünftige Instrumente übertragen lassen? Wissenschaftler suchen und veröffentlichen solche verlässlichen Ergebnisse. In den Publikationen beschreiben Wissenschaftler ihren Weg zu den Ergebnissen, Schritt für Schritt – für andere nachvollziehbar. Der Einsatz jeder Methode muss begründet werden, warum bei diesen Personen und zu diesem Zeitpunkt. Der Weg der Erkenntnisgewinnung wird nun in Publikationen zur Diskussion gestellt. Nur die sichersten Ergebnisse bewähren sich in diesem Umfeld.
In den frühen „wissenschaftlichen“ Werken der Direktwerbung, wie beispielsweise denen von Caples, Hopkins, Buckley oder Andersson, berichten die Autoren leider nur fast Ergebnisse. Die Leser, Anwender interessierte damals, was Erfolg bringt und nicht, wie die Ergebnisse zustande kamen. Leider sind die dargestellten Ergebnisse aber nicht nachvollziehbar.
Nachvollziehbar sind dagegen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Psychologie. Durch sie werden manche Dialogmarketing-Aussagen als Marketing-Mythen entlarvt, wie beispielsweise die Maslowsche Bedürfnis-Pyramide oder das AIDA-Modell [vergleiche 6; 7]. Aber für viele Aussagen liefert die Psychologie oft ein besseres Fundament. So erhält die Praxis zusätzliche Sicherheiten bei der Bewertung vieler Dialogmarketing-Aussagen. Hierzu ein Beispiel: Die Empfehlung „Keep It Simple and Short“ (KISS) findet eine Parallele in folgendem Befund: Das Gehirn verbraucht circa zwanzig Prozent der aufgenommenen Energie, obwohl es nur zwei Prozent des Körpergewichts eines Menschens wiegt [8]. Ein Schluss daraus lautet: Das Gehirn neige zu „energiesparenden“ Maßnahmen. Daher kann vermutet werden, dass werbliche Informationen, nach der KISS-Regel gestaltet, leicht aufgenommen und verarbeitet werden können.
Bestimmte Schritte sind wichtig für ein wissenschaftliches Vorgehen. Diese lernen Psychologen vor allem in den Fächern Methodik und Statistik. Oft sind die gewonnenen Aussagen, Regeln, Ergebnisse, allgemeingültig und auch für zukünftige Entwicklungen anwendbar, wie beispielsweise das eben genannte Ergebnis zum energiesparenden Gehirn.
Psychologische Aussagen, die für alle Dialoginstrumente gelten
Allgemeingültige Aussagen über solche Prozesse könnten bei der Gestaltung unterschiedlichster Kommunikationsinstrumente helfen – und ein Problem lösen: Vordergründig wird es heute für Gestalter immer schwieriger, einen Gesamtüberblick über alle Regeln zu bekommen, da es immer mehr Instrumente (Print, Mobile, Online) – und Regeln dafür – gibt. Entlastend für das Gedächtnis wären hingegen einige wenige, allgemeingültige, sichere Regeln, die die verschiedenen Prozesse zwischen Kontakt und Response beschreiben. Von diesen könnte man Ideen und Kriterien für die Gestaltung der meisten Instrumente ableiten.
Zuerst muss der Kontakt sichergestellt werden. Wenn er stattfindet – freiwillig oder unfreiwillig, egal ob mit einem Print-, Mobile- oder Online-Instrument, konzentriert sich in diesem kurzen Moment die Aufmerksamkeit auf einige Gestaltungselemente: zum Beispiel Töne, Bilder, Headlines. Aus diesen Informationen entsteht schon nach sehr kurzer Zeit ein erster Eindruck. Das limbische System [9, S. 227ff;10] bewertet, nach Neurowissenschaftlern, zuerst die Informationen emotional. Diese Bewertung zeigt die persönliche Relevanz an: „gut“ beziehungsweise „schlecht“ für mich. Dies erfolgt vor der Verarbeitung „rationaler Informationen“. Ebenso werden einige Inhalte wahrgenommen und es entsteht zusätzlich eine Vermutung darüber, ob die Inhalte des Werbemittels persönlich relevant sind oder nicht.
Je nach Relevanzurteil beschäftigt sich der Umworbene intensiver mit dem Werbemittel oder nicht: er liest, klickt einen Link an, sieht ein Video. Diese Beschäftigung bestätigt oder widerlegt die ersten emotionalen (und inhaltlichen) Eindrücke. Im Idealfall wird nun ein neues Verhalten geplant, wie beispielsweise die Response. Deshalb sollten die Umworbenen spätestens jetzt auch zu solchem Verhalten motiviert werden.
Kurzer Kontakt und erster Eindruck
Beworbene nehmen die meisten Werbemittel zuerst nur kurz wahr: im Printbereich beispielsweise zwischen 1,3 und 2,0 Sekunden pro DIN A4 Seite [11, S. 187]. Im Onlinebereich müssen Webdesigner wohl schon in 50 msec einen guten Eindruck beim Betrachter einer Website hervorrufen [12]. Auch für Online-Werbemittel betont Kielholz [13, S. 78] die Wichtigkeit des ersten Eindrucks: „Will man die Aufmerksamkeitsprozesse steuern, muss man gerade jene Bereiche im Internet wirksam gestalten, die auf den ersten Blick sichtbar sind“. Ähnliches gilt im Telefonmarketing: „Setzen Sie Ihre volle Gesprächsenergie in den ersten zehn Sekunden des Telefonats ein“ [14, S. 107]. Um von Anfang an einen guten Eindruck am Telefon zu erzielen, empfehlen Praktiker vor dem Abheben des Hörers zu lächeln und dann möglichst bald einen spannenden „Motivator“ zu bringen.
In dieser kurzen, orientierenden Zeit konzentriert sich die Wahrnehmung auf ganz bestimmte Teile des Werbemittels. Aus diesen zuerst aufgenommenen Inhalten entsteht dann der erste Eindruck. Bei Printwerbemitteln beginnt beispielsweise „in über 75 Prozent der Fälle … die Anzeigenbetrachtung beim Bild“ [15]. „Das Auge beginnt nicht bei der Headline und arbeitet sich dann Punkt für Punkt bis nach rechts unten durch. Für den Blickverlauf gibt es klare Prioritäten: Bild vor Text, Personen vor Landschaften oder Hintergründen, Gesichter vor dem Körper, Auge, Mund und Nase zuerst“ [16].
Im Telefonmarketing sind es am Anfang des Gesprächs die paralinguistischen Signale, wie beispielsweise die Tönung der Stimme, die die Gefühlslage des Sprechers anzeigt, beziehungsweise die allerersten Fragen und Argumente.
Im Onlinemarketing entsteht der erste Eindruck auf unterschiedlichen Wegen, bei E-Mails beispielsweise aus den Angaben „Absender” und „Betreff”. Bei Websites dürfte der erste Eindruck teilweise von den zur Verfügung stehenden Bandbreiten abhängen. Bei geringen Übertragungsgeschwindigkeiten und langsamen Aufbau der Seite sind die ersten Informationen, wie beispielsweise Texte, ausschlaggebend. Bei schnellem Aufbau können es animierte und nicht animierte Bilder, Töne, aber auch deutlich hervorgehobene schriftliche Informationen sein.
Die zuerst wahrgenommenen Informationen werden blitzschnell mit bereits bestehenden geistigen und emotionalen Gedächtnisinhalten angereichert und bewertet. Meist entsteht aufgrund mehrerer wahrgenommener Einzelinhalte ein erster Eindruck: vermutlich relevant oder nicht relevant für mich. Dieser entscheidet über das weitere Schicksal des Werbemittels [17; 18]: wegwerfen, auflegen, weiterblättern, wegklicken oder eine intensivere Beschäftigung mit dem Werbemittel.
Der Text: äußerer und innerer Lesewiderstand
Bei der Verarbeitung von Texten spielen – sowohl im Off- als auch im Onlinebereich – der äußere und innere Lesewiderstand eine entscheidende Rolle [19, S. 48f. und 90f.]. Unter ersterem versteht man die Lesbarkeit eines Textes. Eine zentrale Rolle spielt hier die Typografie. Der „innere Lesewiderstand“ beschäftigt sich mit der Textverständlichkeit. Sie wird in der Abb. 2 von oben nach unten besser. Je geringer beide Lesewiderstände ausgeprägt sind, umso leichter fällt die Aufnahme des Textes. Es folgen beispielhaft einige Ergebnisse zum äußeren und inneren Lesewiderstand.
Lesbarkeit im Printbereich
Die Lesbarkeit im Printbereich wurde in den letzten Jahrzehnten besonders von Colin Wheildon untersucht [20-23]. Seit fast zwanzig Jahren untersucht er an einem Panel, das zuletzt fünfhundert Personen umfasste, verschiedene Layout- und Typovarianten. Er untersuchte den Einsatz fetter und kursiver Schrift, Einsatz von Versalien, Farbe, Zeilenbreite, Block- und Flattersatz und vielem mehr. Ihn selbst verblüfften zwei Resultate [23]: Zum einen, wie leicht die Leser durch ein fragwürdiges Design zu vergraulen seien, das sind solche, die dem „natürlichen“ Blickverlauf widersprechen. Empfehlungen für optimale Blickverläufe geben beispielsweise Arnold und Vögele [22, ausführlich ab S. 103; 24]. Zum anderen verblüffte Wheildon die wiederholte Bestätigung des Wissens, dass Fließtexte, in Serifenschrift geschrieben, besser verstanden werden, als solche mit Nichtserifenschriften.
Lesbarkeit bei Online-Medien
Online-Medien verändern durch die Pixelierung an Bildschirmen die typografischen Besonderheiten der zugrunde liegenden Druckschriften. So geht beispielsweise das charakteristische An- und Abschwellen der Strichstärke von Antiqua-Schriften verloren. Dies initiierte eine ganze Reihe von Studien [25-28] – teilweise mit widersprüchlichen Ergebnissen. Neuere Studien fördern nicht nur typografische Erkenntnisse zutage. Als bedeutende Wirkfaktoren im Leseprozess am Bildschirm identifizierte Liebig [25] das Lebensalter der Nutzer und die Konstruktionsart des Monitors. 19- bis 35-jährige lasen die Experimentaltexte erheblich schneller als die Minderjährigen und die über 55-jährigen Probanden. Zudem ergab eine statistische Analyse, dass Texte an Flachbildschirmen etwas schneller aufgenommen werden als an Röhrenbildschirmen.
Text-Verständlichkeit
Anfang der 70er Jahre entwickelten die Hamburger Forscher Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch [29] ein umfassendes Modell der Textverständlichkeit. Es gehört heute zu den besterforschtesten und praktikabelsten im deutschsprachigen Raum. Es gilt für alle Textarten. Andreas Reichle [30] untersuchte die Gültigkeit für Direktmarketing-Texte. Sehr gut verständliche Texte sind durch vier Dimensionen (unabhängig von der Textart und vom verwendeten Medium) gekennzeichnet:
Sehr hohe Einfachheit: Ein Werbetext sollte eine einfache Darstellung haben, geprägt durch kurze, einfach konstruierte Sätze. Es sollten geläufige Wörter verwendet werden, möglichst konkret und anschaulich.
Mittlere Kürze und Prägnanz: Der Text sollte kurz und knapp sein und sich inhaltlich auf das Wesentliche beschränken. Jedes Wort, das verwendet wird, sollte notwendig für das Verständnis sein. Die Texte sollten in der Dimension „Kürze/Prägnanz“ eine mittlere Ausprägung haben. Für den mitzuteilenden Inhalt sollten nicht zu wenig und nicht zu viele Wörter verwendet werden.
Sehr hohe Gliederung und Ordnung: Der Text muss stark gegliedert, übersichtlich und folgerichtig sein. Wichtig ist eine gute Unterscheidung zwischen dem inhaltlich Wesentlichen und dem Unwesentlichen. Der rote Faden sollte immer erkennbar sein. Eine klare Reihenfolge muss ersichtlich sein.
Anregende Zusätze: Informationen über den Nutzen eines Produktes oder Statements von Testimonials dürften bei werblichen Texten zu den anregenden Zusätzen gehören. Eine persönliche Komponente ist wünschenswert.
Wie man Umworbene zur Reaktion bringt
Waren bestellen oder Informationen anfordern – dazu möchte häufig der Absender den Empfänger motivieren. Oft ist die Response eine Entscheidung in diesem Sinne.
Nach Praktikererfahrungen sollte die Möglichkeit zur Response möglichst in den ersten Sekunden wahrgenommen werden [31]. Diese geschieht etwa dadurch, dass sich das Response-Element deutlich, beispielsweise farblich prägnant, von seiner Umgebung abhebt [19, S. 47ff.] oder sogar separat vorhanden ist. Beispiele hierfür sind die separate Antwortkarte, der Coupon oder im Online-Bereich die Shop-/Einkaufswagensymbole, die sich deutlich von ihrer Umgebung unterscheiden.
Entscheidungsaspekte der Response-Orientierung
Entscheidungen sind nicht die Folge rationalen, durchdachten Abwägens verschiedener Handlungsalternativen. Häufig wird der Entscheidungsprozess abgekürzt. Dies geschieht meistens durch Konzentration auf „Schlüsselinformationen“, wie etwa Testurteilen, Preisen, Markennamen. So erspart beispielsweise das Urteil „sehr gut“ beziehungsweise „Testsieger“ die intensive, prüfende Auseinandersetzung mit dem Produkt. Aufgrund solcher „geistigen Daumenregeln“ [„mental shortcuts“, vergleiche auch: 32; 33; 34] reduziert man den Aufwand an Zeit, Energie und geistiger Arbeit für viele Entscheidungen.
Die Prinzipien der Beeinflussung
Weitere Response-Auslöser, „Action-Getter“, beschrieb beispielsweise Kirchner [35, S. 52] wie etwa:
Free gift/Gastgeschenk: erkennbar an der Formulierung: „gehört Ihnen, auch wenn Sie vom Angebot keinen Gebrauch machen“,
Zeit-/Mengenbeschränkung: „letzter Bestelltermin 30. September“,
Prominenten-/Leitbildwerbung: „…schmeckt vorzüglich, das bestätigt auch Starkoch Alfons Schuhbeck“.
Die Daumenregeln erforschte der Beeinflussungsforscher Cialdini [34]. Er untersuchte Tausende unterschiedlicher Überzeugungstaktiken von Beeinflussungsprofis. So entdeckte er eine Reihe „mental shortcuts“, wie etwa das Kontrastprinzip. Hier wird eine Information mit einer vorhergehenden kontrastiert. Dies geschieht beispielsweise, wenn man beim Verkauf eines DVD-Rekorders zum Preis von 179 Euro, den früheren, verlangten Preis, 499 Euro, nennt. Dadurch erscheinen die 179 Euro subjektiv niedriger als ohne Nennung des kontrastierenden Preises.
Fazit
Wir sahen am Beispiel Kommunikation, wie vielfältig die Beiträge der Psychologie für das Dialogmarketing sein können. Leider gibt es noch zwei Hürden: Erstens, die wissenschaftlichen Psychologen publizieren zwar seit Jahren schon passende Ergebnisse, leider nicht unter einem zusammenfassenden Titel, wie beispielsweise Dialogmarketing-Psychologie. Heute erhält man passende Ergebnisse in Werken zur Kognitiven Psychologie [36], Kommunikations- und Medien- [37;38], Informations- [39] , Wahrnehmungs- [40], Online- [13], Markt- und Werbe- [19; 41; 42], Sozial- [43; 44] oder Biopsychologie [45]. Man findet auch entscheidende Erkenntnisse über entsprechende Literaturdatenbanken (PsycINFO, Psyndex).
Eine zweite Hürde ist die Fachsprache der Psychologen. Wenn ein Psychologe den Anspruch hat, für die Praxis wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern, dann muss er in Praktikersprache übersetzen [46-49], sei es als Seminar-, Workshopleiter oder Berater. Nur so werden psychologische Erkenntnisse auch für die Praxis nutzbar.
Literatur
[1] Bruns J.: Direktmarketing. – Ludwigshafen (Rhein): Kiehl, 1998.
[2] Peppers D, Rogers M.: Strategien für individuelles Kundenmarketing. Die 1:1 Zukunft (Am. Original erschien 1993: The One-to-One-Future). – Haufe bei Knaur, München, 1994.
[3] Hopkins, CC. Scientific Advertising. http://www.peakperformancetechnology.com/Scientific%20Advertising%201.PDF. 1923, 1-11-2007.
[4] Buckley H. J.: The science of marketing by mail. – B. C. Forbes publishing company, New York City, 1924.
[5] Myers D. G., Grosser C, Wahl S, Hoppe-Graff S.: Psychologie. – Springer, Heidelberg, 2005.
[6] Bidmon R. K.: Mythen des Direktmarketings. Welche Gültigkeit haben Werberegeln wirklich? – In: Direkt Marketing 44[2], 62-63. 2008.
[7] Lürssen, J.: AIDA – reif für das Museum? http://www.absatzwirtschaft.de/psasw/fn/asw/sfn/buildpage/cn/cc_vt/artpage/0/SH/0/ID/30115/page1/PAGE_1002979/page2/PAGE_1003000/aktelem/PAGE_1003205/s/0/index.html, 2004, 25-7-2005.
[8] Shulman R. G., Rothman D. L., Beharr K. L., Hyder, F.: Energetic basis of brain imaging: implications for neuroimaging. – In: Trends in Neurosciences 27, 489-495, 2004.
[9] Damasio A. R.: Descartes‘ Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. – List, München, 2005.
[10] Storch M. Krause F.: Das Zürcher Ressourcen Modell ZRM. – http://www.majastorch.de/download/zrm.pdf, 2000.
[11] Kroeber-Riel W., Esch F. R.: Strategie und Technik der Werbung. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze. – Kohlhammer, Stuttgart, 2000.
[12] Lindgaard G., Fernandes G., Dudek C., Brown, J.: Attention web designers: You have 50 milliseconds to make a good first impression! – In: Behaviour and Information Technology 25 [Number 2/March-April 2006], 115-126 (12), 2006.
[13] Kielholz A.: Online-Kommunikation – die Psychologie der neuen Medien für die Berufspraxis. – In: Springer Medizin, 9 Tab., Heidelberg, 2008.
[14] Greff G.: Das 1x1 des Telefonmarketing. – Gabler, Wiesbaden, 1997.
[15] Jeck-Schlottmann: Werbewirkung bei geringem Involvement. – Saarbrücken. Arbeitspapier Nr. 1 der Reihe „Konsum und Verhalten“, 1988.
[16] Wimmer R.-M.: Menschen sind Augentiere. – In: Absatzwirtschaft 31[2], 88-99, 1988.
[17] Schubert T.: Empirische und theoretische Überprüfung der psychologischen Wirkung des ersten Kurzdialogs im Direktmarketing. – Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl Prof. L. v. Rosenstiel (Diplomarbeit im Rahmen des Drittmittelprojektes Deutsche Forschungszentren für Direktmarketing an den Universitäten München und Rostock, Ltg. R. Bidmon. Ein Projekt der Siegfried-Vögele-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft), 25-3-2004.
[18] Vögele S., Bidmon R. K.: Psychologische Aspekte der Dialogmethode. – In: Dallmer H. (Hrsg.): Direct Marketing & More. –Gabler, Wiesbaden, 435-58, 2002.
[19] Neumann P.: Markt- und Werbepsychologie – Praxis. Wahrnehmung – Lernen – Aktivierung – Image-Positionierung – Verhaltensbeeinflussung – Messmethoden. – Fachverlag Wirtschaftspsychologie, Gräfelfing, [089/20 11 282], 2003.
[20] Wheildon C.: Communicating – or just making pretty shapes. – http://www.ianmc.com.au/articles/cojmps.pdf, 1990.
[21] Wheildon C.: Type and Layout. How typography and design can get you message across – or get in the way. – Strathmoor Press, Berkely, California, 1995.
[22] Wheildon C, Heard G.: Type and Layout. Are you communicating or just making pretty shapes? How typography and design can get you message across – or get in the way. – With a forward by David Ogilvy and additional material by Geoffrey Heard; The Worsley Press, Hastings, Victoria, Australien, 2005.
[23] Wheildon C.: Colin Wheildon on Direct Mail Design – an Interview in Target Marketing. http://www.targetmarketingmag.com/story/story.bsp?sid=20467&var=story, 26-4-2006. 2-11-2007.
[24] Vögele S.: Dialogmethode: Das Verkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte. – mi, Landsberg/Lech, 2002.
[25] Liebig, M.: Browser-Typografie: Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schrift im World Wide Web. – Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie; Fakultät Kulturwissenschaften der Universität Dortmund (Gutachter Prof. Dr. Ulrich Pätzold, Prof. Dr. Günther Rager, beide Universität Dortmund), 30-11-2005.
[26] Bayer, S. K.: Bildschirmtypografie. Technische und psychologische Determinanten der Gestaltung von Online-Dokumenten. – Alles Buch. Studien der Erlanger Buchwissenschaft III; Universität Erlangen-Nürnberg, Buchwissenschaft, 2003.
[27] Ziefle M. C.: Bildschirm oder Papier – Determinanten der Leseleistung im Medienvergleich. – In: Hacker W. (Hrsg.): Bericht über den 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Dresden 1998. Schwerpunktthema: Zukunft gestalten; 1998; Lengerich, Dresden, S. 592-604, 1999.
[28] Redelius J.: Der „digitale“ Gutenberg: Untersuchungen zur Lesbarkeit digitaler Bildschirmschriften. – Ludwigsburg, Pädag. Hochsch., Diss., 1998.
[29] Langer I., Schulz von Thun F., Tausch R.: Sich verständlich ausdrücken. Anleitungstexte, Unterrichtstexte, Vertragstexte, Amtstexte, Versicherungstexte, Wissenschaftstexte u.a. – Reinhardt, München, 1990.
[30] Reichle A.: Eine explorative Studie zur Anwendbarkeit des Hamburger Textverständlichkeitsmodells auf Werbetexte unter Einbeziehung der Dimension Personzentrierung. – Ludwig-Maximilians-Universität München, Lehrstuhl Prof. L. v. Rosenstiel (Diplomarbeit im Rahmen des Drittmittelprojektes Deutsche Forschungszentren für Direktmarketing an den Universitäten München und Rostock, Ltg. R. Bidmon. Ein Projekt der Siegfried-Vögele-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft), 2004.
[31] Vögele S.: Dialogmethode: Das Verkaufsgespräch per Brief und Antwortkarte. – mi, Landsberg/Lech, 1984.
[32] Hell W.: Kognitive Täuschungen: Fehl-Leistungen und Mechanismen des Urteilens, Denkens und Erinnerns. – Spektrum, Akad. Verl., Heidelberg, Berlin, Oxford, 1993.
[33] Cialdini R. B.: Einfluß. Wie und warum sich Menschen überzeugen lassen. – Original: Influence – How and Why People Agree to Things; mvg (TB 308), Landsberg, 1987.
[34] Cialdini R. B.: Die Psychologie des Überzeugens. Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen. – Am. Orig. erschien 2001: Influence, 4th ed.; Hogrefe, Bern, Göttingen, 2002.
[35] Kirchner G.: Die neue Praxis der Direktwerbung. Wie Sie Ihre Verkaufs- und Werbeprobleme selbst lösen. – Forkel-Verlag, Wiesbaden, 1991.
[36] Anderson J. R.: Kognitive Psychologie. – Spektrum, Akad. Verl., Heidelberg, Berlin, 2007.
[37] Batinic B., Appel M. : Medienpsychologie. – Springer Medizin, Heidelberg, 2008.
[38] Six U., Gleich U., Gimmler R.: Kommunikationspsychologie – Medienpsychologie [Lehrbuch]. Weinheim u.a.: Beltz, 2007.
[39] Mangold R.: Informationspsychologie – Wahrnehmen und Gestalten in der Medienwelt. – Spektrum Akad. Verl, München, Elsevier, 2007.
[40] Goldstein B.: Wahrnehmungspsychologie. – Ritter M. (Hrsg.), Spektrum, Heidelberg, 2. dt. Ausg., 2002.
[41] Neumann P.: Markt- und Werbepsychologie – Grundlagen. Definitionen, Interventionsmöglichkeiten – Operationalisierung – Statistik. – Fachverlag Wirtschaftspsychologie, Gräfelfing, [089/20 11 282], 2003.
[42] Rosenstiel L. v., Neumann P.: Marktpsychologie. – Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Primus-Verlag), Darmstadt, 2002.
[43] Stroebe W.: Sozialpsychologie: eine Einführung. – Mit 17 Tab., Stroebe W. (Hrsg.), Übers. von M. Reiss. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Tokio, 2002.
[44] Fischer L., Wiswede G.: Grundlagen der Sozialpsychologie. – Oldenbourg, München, Wien, 2002.
[45] Pinel J., Pauli P.: Biopsychologie. – u.a.: Pearson Studium, München, 2007.
[46] Hartmann H.: Psychologische Diagnostik. – Kohlhammer, Stuttgart, 1973.
[47] Tritt K., Bidmon R. K., Heymann F. v., Joraschky P., Lahmann C., Nickel M., Loew, T.: Zehn Thesen zur psychotherapeutischen Versorgungsforschung – ein Positionspapier. – In: Psychotherapie 12[1], 136-148. 2007.
[48] Bidmon R. K.: Direktmarketing als Brückenwissenschaft. – In: DDV (Hrsg.): Dialogmarketing Perspektiven 2006/2007. Tagungsband 1. wissenschaftlichen interdisziplinären Kongress für Dialogmarketing, Gabler, Wiesbaden, 9-30, 2007.
[49] Bidmon R. K., Vögele S.: Neue Erkenntnisse zur Mailinggestaltung nach der Dialogmethode. Gestaltungsempfehlungen zwischen Anforderungen der Wissenschaft und der Praxis. – In: Wirtz BW, Burmann C, (Hrsg.): Ganzheitliches Direktmarketing. – Gabler, Wiesbaden, 423-452, 2006.
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM
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Fachleute für Manipulation – Werbepsychologen kennen die Tricks, wie man Menschen zum Geld ausgebenden Konsumenten macht. Hinter diesem Vorurteil steckt oft die übertriebene Hoffnung, es gäbe einen einfachen Weg zum garantierten Erfolg. Gäbe es ihn, dann wären wohl alle Werbepsychologen Millionäre. Welche Chancen die Psychologie tatsächlich dem Dialogmarketing bieten, soll beispielhaft im Folgenden gezeigt werden. Zuerst wird erklärt, was Dialogmarketing und was Psychologie ist, dann wie Praktiker von den Ergebnissen der Psychologen profitieren können.
Dialogmarketing – ein breites Gebiet
Das heutige Dialogmarketing entwickelte sich aus unterschiedlichsten Wurzeln: der frühen Direktwerbung, dem Direkt-, dem Mobile- und dem Onlinemarketing. Heute beschränkt sich Dialogmarketing nicht mehr nur auf den Marketing-Mix- Faktor „Kommunikation“. Bruns [1] vertrat wohl als Erster im deutschsprachigen Raum diese Position in seinem Lehrbuch. Ähnlich konsequent sah es 2005 Wirtz in seiner Definition des Direktmarketings: „Als Instrumente werden hierfür sämtliche Elemente des Marketingmix in integrierter Form und zunehmend unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt“. Doch nicht nur der Begriff dehnte sich aus. Es gab weitere Folgen:
Entstehung einer Wissenschaft: Gerade die neuen, elektronischen Instrumente ermöglichen eine viel bessere, schnellere und präzisere Kontrolle des Verhaltens der Umworbenen. Dies führt zu besseren Untersuchungsmöglichkeiten. Manche sehen hier den Entstehungszeitpunkt einer Wissenschaft „Direkt- beziehungsweise Dialogmarketing“.
Betonung der Funktionen des Direktmarketings, wie etwa Schaffung eines individuellen Kundenkontakts, ein echter Dialog mit dem Kunden, die Erzielung einer messbaren Kundenreaktion, die Erreichung der Kommunikationsziele des Unternehmens oder die Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Die Funktion „einen Dialog mit dem Umworbenen (also Interessenten, Kunden) zu führen“ wird dabei besonders häufig in den Vordergrund gestellt, wie beispielsweise beim interaktiven Marketing oder dem One-to-One-Marketing [2].
Wie kann die Psychologie ein so breit verstandenes Dialogmarketing unterstützen? Beispielsweise zeigen schon viele Ergebnisse aus frühen „wissenschaftlichen“ Werken zum Thema „Mail“ [3, 4] eine große Verwandtschaft mit Teilen der Psychologie. So ähnelt der frühe Ansatz des Testmarketings dem in der Psychologie damals verbreiteten Stimulus-Response-Ansatz, der den Zusammenhang zwischen definierten Reizen und bestimmten Reaktionen untersuchte.
Psychologie
Heute ist die Psychologie die Wissenschaft vom Verhalten und den mentalen Prozessen des Menschen. Letztere sind subjektive innere Erfahrungen wie beispielsweise Träume, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Einstellungen, Gefühle [5, S. 9]. Die verschiedenen Möglichkeiten der Psychologie für das Dialogmarketing sollen im Folgenden an einigen Beispielen vorgestellt werden. Zuerst zu den wissenschaftlichen Grundlagen.
Mehr Sicherheit für Dialogmarketing-Regeln
Wäre es nicht schön, es gäbe im Dialogmarketing Regeln und Ergebnisse, die als „sicher“ gelten und die sich auch auf zukünftige Instrumente übertragen lassen? Wissenschaftler suchen und veröffentlichen solche verlässlichen Ergebnisse. In den Publikationen beschreiben Wissenschaftler ihren Weg zu den Ergebnissen, Schritt für Schritt – für andere nachvollziehbar. Der Einsatz jeder Methode muss begründet werden, warum bei diesen Personen und zu diesem Zeitpunkt. Der Weg der Erkenntnisgewinnung wird nun in Publikationen zur Diskussion gestellt. Nur die sichersten Ergebnisse bewähren sich in diesem Umfeld.
In den frühen „wissenschaftlichen“ Werken der Direktwerbung, wie beispielsweise denen von Caples, Hopkins, Buckley oder Andersson, berichten die Autoren leider nur fast Ergebnisse. Die Leser, Anwender interessierte damals, was Erfolg bringt und nicht, wie die Ergebnisse zustande kamen. Leider sind die dargestellten Ergebnisse aber nicht nachvollziehbar.
Nachvollziehbar sind dagegen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Psychologie. Durch sie werden manche Dialogmarketing-Aussagen als Marketing-Mythen entlarvt, wie beispielsweise die Maslowsche Bedürfnis-Pyramide oder das AIDA-Modell [vergleiche 6; 7]. Aber für viele Aussagen liefert die Psychologie oft ein besseres Fundament. So erhält die Praxis zusätzliche Sicherheiten bei der Bewertung vieler Dialogmarketing-Aussagen. Hierzu ein Beispiel: Die Empfehlung „Keep It Simple and Short“ (KISS) findet eine Parallele in folgendem Befund: Das Gehirn verbraucht circa zwanzig Prozent der aufgenommenen Energie, obwohl es nur zwei Prozent des Körpergewichts eines Menschens wiegt [8]. Ein Schluss daraus lautet: Das Gehirn neige zu „energiesparenden“ Maßnahmen. Daher kann vermutet werden, dass werbliche Informationen, nach der KISS-Regel gestaltet, leicht aufgenommen und verarbeitet werden können.
Bestimmte Schritte sind wichtig für ein wissenschaftliches Vorgehen. Diese lernen Psychologen vor allem in den Fächern Methodik und Statistik. Oft sind die gewonnenen Aussagen, Regeln, Ergebnisse, allgemeingültig und auch für zukünftige Entwicklungen anwendbar, wie beispielsweise das eben genannte Ergebnis zum energiesparenden Gehirn.
Psychologische Aussagen, die für alle Dialoginstrumente gelten
Allgemeingültige Aussagen über solche Prozesse könnten bei der Gestaltung unterschiedlichster Kommunikationsinstrumente helfen – und ein Problem lösen: Vordergründig wird es heute für Gestalter immer schwieriger, einen Gesamtüberblick über alle Regeln zu bekommen, da es immer mehr Instrumente (Print, Mobile, Online) – und Regeln dafür – gibt. Entlastend für das Gedächtnis wären hingegen einige wenige, allgemeingültige, sichere Regeln, die die verschiedenen Prozesse zwischen Kontakt und Response beschreiben. Von diesen könnte man Ideen und Kriterien für die Gestaltung der meisten Instrumente ableiten.
Zuerst muss der Kontakt sichergestellt werden. Wenn er stattfindet – freiwillig oder unfreiwillig, egal ob mit einem Print-, Mobile- oder Online-Instrument, konzentriert sich in diesem kurzen Moment die Aufmerksamkeit auf einige Gestaltungselemente: zum Beispiel Töne, Bilder, Headlines. Aus diesen Informationen entsteht schon nach sehr kurzer Zeit ein erster Eindruck. Das limbische System [9, S. 227ff;10] bewertet, nach Neurowissenschaftlern, zuerst die Informationen emotional. Diese Bewertung zeigt die persönliche Relevanz an: „gut“ beziehungsweise „schlecht“ für mich. Dies erfolgt vor der Verarbeitung „rationaler Informationen“. Ebenso werden einige Inhalte wahrgenommen und es entsteht zusätzlich eine Vermutung darüber, ob die Inhalte des Werbemittels persönlich relevant sind oder nicht.
Je nach Relevanzurteil beschäftigt sich der Umworbene intensiver mit dem Werbemittel oder nicht: er liest, klickt einen Link an, sieht ein Video. Diese Beschäftigung bestätigt oder widerlegt die ersten emotionalen (und inhaltlichen) Eindrücke. Im Idealfall wird nun ein neues Verhalten geplant, wie beispielsweise die Response. Deshalb sollten die Umworbenen spätestens jetzt auch zu solchem Verhalten motiviert werden.
Kurzer Kontakt und erster Eindruck
Beworbene nehmen die meisten Werbemittel zuerst nur kurz wahr: im Printbereich beispielsweise zwischen 1,3 und 2,0 Sekunden pro DIN A4 Seite [11, S. 187]. Im Onlinebereich müssen Webdesigner wohl schon in 50 msec einen guten Eindruck beim Betrachter einer Website hervorrufen [12]. Auch für Online-Werbemittel betont Kielholz [13, S. 78] die Wichtigkeit des ersten Eindrucks: „Will man die Aufmerksamkeitsprozesse steuern, muss man gerade jene Bereiche im Internet wirksam gestalten, die auf den ersten Blick sichtbar sind“. Ähnliches gilt im Telefonmarketing: „Setzen Sie Ihre volle Gesprächsenergie in den ersten zehn Sekunden des Telefonats ein“ [14, S. 107]. Um von Anfang an einen guten Eindruck am Telefon zu erzielen, empfehlen Praktiker vor dem Abheben des Hörers zu lächeln und dann möglichst bald einen spannenden „Motivator“ zu bringen.
In dieser kurzen, orientierenden Zeit konzentriert sich die Wahrnehmung auf ganz bestimmte Teile des Werbemittels. Aus diesen zuerst aufgenommenen Inhalten entsteht dann der erste Eindruck. Bei Printwerbemitteln beginnt beispielsweise „in über 75 Prozent der Fälle … die Anzeigenbetrachtung beim Bild“ [15]. „Das Auge beginnt nicht bei der Headline und arbeitet sich dann Punkt für Punkt bis nach rechts unten durch. Für den Blickverlauf gibt es klare Prioritäten: Bild vor Text, Personen vor Landschaften oder Hintergründen, Gesichter vor dem Körper, Auge, Mund und Nase zuerst“ [16].
Im Telefonmarketing sind es am Anfang des Gesprächs die paralinguistischen Signale, wie beispielsweise die Tönung der Stimme, die die Gefühlslage des Sprechers anzeigt, beziehungsweise die allerersten Fragen und Argumente.
Im Onlinemarketing entsteht der erste Eindruck auf unterschiedlichen Wegen, bei E-Mails beispielsweise aus den Angaben „Absender” und „Betreff”. Bei Websites dürfte der erste Eindruck teilweise von den zur Verfügung stehenden Bandbreiten abhängen. Bei geringen Übertragungsgeschwindigkeiten und langsamen Aufbau der Seite sind die ersten Informationen, wie beispielsweise Texte, ausschlaggebend. Bei schnellem Aufbau können es animierte und nicht animierte Bilder, Töne, aber auch deutlich hervorgehobene schriftliche Informationen sein.
Die zuerst wahrgenommenen Informationen werden blitzschnell mit bereits bestehenden geistigen und emotionalen Gedächtnisinhalten angereichert und bewertet. Meist entsteht aufgrund mehrerer wahrgenommener Einzelinhalte ein erster Eindruck: vermutlich relevant oder nicht relevant für mich. Dieser entscheidet über das weitere Schicksal des Werbemittels [17; 18]: wegwerfen, auflegen, weiterblättern, wegklicken oder eine intensivere Beschäftigung mit dem Werbemittel.
Der Text: äußerer und innerer Lesewiderstand
Bei der Verarbeitung von Texten spielen – sowohl im Off- als auch im Onlinebereich – der äußere und innere Lesewiderstand eine entscheidende Rolle [19, S. 48f. und 90f.]. Unter ersterem versteht man die Lesbarkeit eines Textes. Eine zentrale Rolle spielt hier die Typografie. Der „innere Lesewiderstand“ beschäftigt sich mit der Textverständlichkeit. Sie wird in der Abb. 2 von oben nach unten besser. Je geringer beide Lesewiderstände ausgeprägt sind, umso leichter fällt die Aufnahme des Textes. Es folgen beispielhaft einige Ergebnisse zum äußeren und inneren Lesewiderstand.
Lesbarkeit im Printbereich
Die Lesbarkeit im Printbereich wurde in den letzten Jahrzehnten besonders von Colin Wheildon untersucht [20-23]. Seit fast zwanzig Jahren untersucht er an einem Panel, das zuletzt fünfhundert Personen umfasste, verschiedene Layout- und Typovarianten. Er untersuchte den Einsatz fetter und kursiver Schrift, Einsatz von Versalien, Farbe, Zeilenbreite, Block- und Flattersatz und vielem mehr. Ihn selbst verblüfften zwei Resultate [23]: Zum einen, wie leicht die Leser durch ein fragwürdiges Design zu vergraulen seien, das sind solche, die dem „natürlichen“ Blickverlauf widersprechen. Empfehlungen für optimale Blickverläufe geben beispielsweise Arnold und Vögele [22, ausführlich ab S. 103; 24]. Zum anderen verblüffte Wheildon die wiederholte Bestätigung des Wissens, dass Fließtexte, in Serifenschrift geschrieben, besser verstanden werden, als solche mit Nichtserifenschriften.
Lesbarkeit bei Online-Medien
Online-Medien verändern durch die Pixelierung an Bildschirmen die typografischen Besonderheiten der zugrunde liegenden Druckschriften. So geht beispielsweise das charakteristische An- und Abschwellen der Strichstärke von Antiqua-Schriften verloren. Dies initiierte eine ganze Reihe von Studien [25-28] – teilweise mit widersprüchlichen Ergebnissen. Neuere Studien fördern nicht nur typografische Erkenntnisse zutage. Als bedeutende Wirkfaktoren im Leseprozess am Bildschirm identifizierte Liebig [25] das Lebensalter der Nutzer und die Konstruktionsart des Monitors. 19- bis 35-jährige lasen die Experimentaltexte erheblich schneller als die Minderjährigen und die über 55-jährigen Probanden. Zudem ergab eine statistische Analyse, dass Texte an Flachbildschirmen etwas schneller aufgenommen werden als an Röhrenbildschirmen.
Text-Verständlichkeit
Anfang der 70er Jahre entwickelten die Hamburger Forscher Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch [29] ein umfassendes Modell der Textverständlichkeit. Es gehört heute zu den besterforschtesten und praktikabelsten im deutschsprachigen Raum. Es gilt für alle Textarten. Andreas Reichle [30] untersuchte die Gültigkeit für Direktmarketing-Texte. Sehr gut verständliche Texte sind durch vier Dimensionen (unabhängig von der Textart und vom verwendeten Medium) gekennzeichnet:
Sehr hohe Einfachheit: Ein Werbetext sollte eine einfache Darstellung haben, geprägt durch kurze, einfach konstruierte Sätze. Es sollten geläufige Wörter verwendet werden, möglichst konkret und anschaulich.
Mittlere Kürze und Prägnanz: Der Text sollte kurz und knapp sein und sich inhaltlich auf das Wesentliche beschränken. Jedes Wort, das verwendet wird, sollte notwendig für das Verständnis sein. Die Texte sollten in der Dimension „Kürze/Prägnanz“ eine mittlere Ausprägung haben. Für den mitzuteilenden Inhalt sollten nicht zu wenig und nicht zu viele Wörter verwendet werden.
Sehr hohe Gliederung und Ordnung: Der Text muss stark gegliedert, übersichtlich und folgerichtig sein. Wichtig ist eine gute Unterscheidung zwischen dem inhaltlich Wesentlichen und dem Unwesentlichen. Der rote Faden sollte immer erkennbar sein. Eine klare Reihenfolge muss ersichtlich sein.
Anregende Zusätze: Informationen über den Nutzen eines Produktes oder Statements von Testimonials dürften bei werblichen Texten zu den anregenden Zusätzen gehören. Eine persönliche Komponente ist wünschenswert.
Wie man Umworbene zur Reaktion bringt
Waren bestellen oder Informationen anfordern – dazu möchte häufig der Absender den Empfänger motivieren. Oft ist die Response eine Entscheidung in diesem Sinne.
Nach Praktikererfahrungen sollte die Möglichkeit zur Response möglichst in den ersten Sekunden wahrgenommen werden [31]. Diese geschieht etwa dadurch, dass sich das Response-Element deutlich, beispielsweise farblich prägnant, von seiner Umgebung abhebt [19, S. 47ff.] oder sogar separat vorhanden ist. Beispiele hierfür sind die separate Antwortkarte, der Coupon oder im Online-Bereich die Shop-/Einkaufswagensymbole, die sich deutlich von ihrer Umgebung unterscheiden.
Entscheidungsaspekte der Response-Orientierung
Entscheidungen sind nicht die Folge rationalen, durchdachten Abwägens verschiedener Handlungsalternativen. Häufig wird der Entscheidungsprozess abgekürzt. Dies geschieht meistens durch Konzentration auf „Schlüsselinformationen“, wie etwa Testurteilen, Preisen, Markennamen. So erspart beispielsweise das Urteil „sehr gut“ beziehungsweise „Testsieger“ die intensive, prüfende Auseinandersetzung mit dem Produkt. Aufgrund solcher „geistigen Daumenregeln“ [„mental shortcuts“, vergleiche auch: 32; 33; 34] reduziert man den Aufwand an Zeit, Energie und geistiger Arbeit für viele Entscheidungen.
Die Prinzipien der Beeinflussung
Weitere Response-Auslöser, „Action-Getter“, beschrieb beispielsweise Kirchner [35, S. 52] wie etwa:
Free gift/Gastgeschenk: erkennbar an der Formulierung: „gehört Ihnen, auch wenn Sie vom Angebot keinen Gebrauch machen“,
Zeit-/Mengenbeschränkung: „letzter Bestelltermin 30. September“,
Prominenten-/Leitbildwerbung: „…schmeckt vorzüglich, das bestätigt auch Starkoch Alfons Schuhbeck“.
Die Daumenregeln erforschte der Beeinflussungsforscher Cialdini [34]. Er untersuchte Tausende unterschiedlicher Überzeugungstaktiken von Beeinflussungsprofis. So entdeckte er eine Reihe „mental shortcuts“, wie etwa das Kontrastprinzip. Hier wird eine Information mit einer vorhergehenden kontrastiert. Dies geschieht beispielsweise, wenn man beim Verkauf eines DVD-Rekorders zum Preis von 179 Euro, den früheren, verlangten Preis, 499 Euro, nennt. Dadurch erscheinen die 179 Euro subjektiv niedriger als ohne Nennung des kontrastierenden Preises.
Fazit
Wir sahen am Beispiel Kommunikation, wie vielfältig die Beiträge der Psychologie für das Dialogmarketing sein können. Leider gibt es noch zwei Hürden: Erstens, die wissenschaftlichen Psychologen publizieren zwar seit Jahren schon passende Ergebnisse, leider nicht unter einem zusammenfassenden Titel, wie beispielsweise Dialogmarketing-Psychologie. Heute erhält man passende Ergebnisse in Werken zur Kognitiven Psychologie [36], Kommunikations- und Medien- [37;38], Informations- [39] , Wahrnehmungs- [40], Online- [13], Markt- und Werbe- [19; 41; 42], Sozial- [43; 44] oder Biopsychologie [45]. Man findet auch entscheidende Erkenntnisse über entsprechende Literaturdatenbanken (PsycINFO, Psyndex).
Eine zweite Hürde ist die Fachsprache der Psychologen. Wenn ein Psychologe den Anspruch hat, für die Praxis wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern, dann muss er in Praktikersprache übersetzen [46-49], sei es als Seminar-, Workshopleiter oder Berater. Nur so werden psychologische Erkenntnisse auch für die Praxis nutzbar.
Literatur
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