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Social Media im Kundenservice

Über alledem steht ein Gespür für Echtheit und Authentizität von Menschen für Menschen. Unternehmen müssen nicht alles selbst machen.
Harald Eichsteller | 15.11.2011
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



David Weinberger und seine Kollegen hatten uns Ende der 90er Jahre bereits alles mit auf den Weg gegeben – die Charakterisierung der digitalen Märkte im Cluetrain Manifest spricht für sich: „Vernetzte Märkte beginnen sich schneller selbst zu organisieren als die Unternehmen, die sie traditionell beliefert haben. Mit Hilfe des Webs werden Märkte besser informiert, intelligenter und fordernder hinsichtlich der Charaktereigenschaften, die den meisten Organisationen noch fehlen“ [1]. Die 95 Thesen postulieren im Detail, was sich heutige Kunden wünschen und welche Chancen und Risiken sich für Unternehmen ergeben; über alledem steht ein Gespür für Echtheit und Authentizität von Menschen für Menschen.

In den Serviceeinheiten der Unternehmen jedoch stehen andere Themen auf der Tagesordnung: Ressourcenplanung, Service-Level-Agreements, knappe Budgets und Effizienzkennziffern. Da ist es schon eher die Ausnahme, wenn bei einem Unternehmen wie Ravensburger im Vordergrund steht, die Spiele- und Puzzle-Fans glücklich zu machen. Verlorene Spielfiguren oder gar ein einzelnes Puzzle-Teil werden individuell nachgeliefert, aber auch Buchkataloge werden auf Anfrage versandt. Manch kurzfristig denkender Controller mag sich die Haare raufen, zumal Ravensburger diesen Service seit letztem Jahr kostenfrei anbietet. Lifetime-Value-Betrachtungen von „0 - 99 Jahre“ sorgen beim Service- und Qualitätssicherungs-Chef des Spiele-Marktführers vom Bodensee eher für einen zufriedenen Gesichtsausdruck.

So haben viele Unternehmen in den letzten Jahren die Disziplin des Customer-Relationship-Management (CRM) für sich entdeckt. Einige sprechen mittlerweile von Customer-Experience (CX), um die Perspektive der Mitarbeiter auf eine durchgängige und konsistente Wahrnehmung des Unternehmens aus Kundensicht zu lenken.


Was Kunden vom Service eines Unternehmens erwarten

Systematisch werden Erfolgsfaktoren für guten Service von Zertifizierungsanbietern von Qualitätsmanagementsystemen sowie Technologie-Dienstleistern von CRM-, CX- und CTI-Lösungen (Computer-Telefonie-Integration) [2], [3] erfasst. Hierbei werden meist genannt:

Kunden erwarten von den Mitarbeitern Wissen über die eigenen Produkte und das Unternehmen sowie Wissen über den Kunden selbst. Sie wollen vollständige, korrekte und relevante Antworten. Sie erwarten Fach- und Entscheidungskompetenz, frei von einseitigen Interessen.

Kunden erwarten, dass die Mitarbeiter ihnen zuhören, sie möchten Aufmerksamkeit und Zuwendung. Erst danach erwarten sie eine Handlung.

Kunden erwarten persönliche Interaktionen, dass ihre Bedürfnisse individuell erkannt werden. Sie wollen persönliche Kontakte und Beziehungen.

Kunden erwarten motivierte Mitarbeiter, vollen Einsatz von freundlichen Mitarbeitern mit Einfühlungsvermögen. Sie erwarten Glaubwürdigkeit und Mitarbeiter, denen sie vertrauen können. Sie wollen sich darauf verlassen, dass die Serviceversprechen eingehalten werden.

Kunden erwarten schnelle Hilfe, dass ihnen im besten Fall sofort geholfen wird. Sie wollen nicht warten. Sie erwarten Zuvorkommenheit.

Kunden erwarten einen nahtlosen Service, dass sie bei der Weiterleitung zu einer anderen Abteilung ihr Anliegen nicht noch einmal einem anderen Mitarbeiter erklären müssen. Der Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens muss reibungslos über alle Abteilungen hinweg erfolgen.

Kunden erwarten verschiedene Kanäle, über die sie kommunizieren können, dass in allen Kanälen die Antworten gleich schnell und gleich konsistent erfolgen. Sie möchten auswählen können, welchen Kanal sie benutzen.

Kunden erwarten Professionalität, professionelle Arbeitsmittel und Ausrüstung. Doch diese Erwartungen galten auch schon lange, bevor es Social Media wie Facebook, Twitter & Co., gab, wo Millionen Nutzer hunderte Millionen von Seitenaufrufen generieren. Was bedeutet nun „Social“ konkret und wofür steht es im Social Media-Marketing/CRM?

Früher wurde das Internet primär als Informationsmedium genutzt, in den letzten Jahren hingegen hat es sich immer mehr auf Sozialkontakte ausgerichtet. MySpace oder Facebook sind entstanden, um die Kommunikation zwischen Menschen zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie um Menschen zusammenzuführen, die ähnliche Interessen haben. „Social“ sind außerdem zum Beispiel Social News-Sites, die auf dem Prinzip kollektiver Intelligenz basieren. Weiterhin gibt es Social Bookmarking-Sites, auf denen man Links zu Seiten findet, die andere User empfohlen haben oder auch soziale Netzwerke zu Nischenthemen. Social Media und somit auch CRM in sozialen Medien betonen vor allem das Kollektiv und nicht die Einzelperson. Die Aufgabe von CRM in sozialen Medien besteht folglich darin, diese Kanäle richtig einzusetzen und ihre Teilnehmer wirkungsvoll über Produkt- und Serviceangebote zu informieren, auf Kundenwünsche und -fragen einzugehen. Somit steht im Vordergrund, die Beziehung zum eigenen Unternehmen aufzubauen und zu stärken [4].


Unternehmen müssen nicht alles selbst machen

Soziale Medien sind geeignete Plattformen, auf denen man einfach Kommentare über Produkte oder Services eines Unternehmens mit anderen Kunden teilen kann. Viele Kunden wenden sich deswegen bei Problemen, Fragen oder Feedback heute gar nicht mehr direkt über die klassischen Service-Kanäle an Unternehmen, sondern unterhalten sich mit anderen Kunden im sozialen Netz darüber. Durch diese Interaktionen entstehen völlig neue Kundenerlebnisse [5].

Traditionell findet dieser Austausch in Foren statt – Ikea, die Deutsche Telekom und Dell liefern gelungene Beispiele von unternehmensinternen aber auch extern betriebenen Plattformen. Einerseits wird mit Hilfe von guten Servicemitarbeitern der Erfahrungsaustausch mit den Kunden aktiviert und gefördert. Dieser wird dadurch im Idealfall seine Kundendiensterfahrungen anderen mitteilen und somit sind diese eventuell in sozialen Netzwerken auffindbar. Dies kann andere Konsumenten in ihren Kaufentscheidungen positiv beeinflussen, die bekanntermaßen oft online getroffen werden [6]. Andererseits sind die Betreiber und Mitglieder von Foren oftmals wahre „Apostel“ und nehmen ihre Marke vor (ihrer Meinung nach) ungerechtfertigten Angriffen oder Negativkommentaren in Schutz.


Praxisbeispiel

Kaum hatte Netti, ein neues Mitglied der hej Community von Ikea, dezent angemerkt, dass die Gliederung nicht „1. Klasse“ sei, schreibt Judie aus Halle/Leipzig ihren 269. Kommentar „Oben bei ‚Forum – Übersicht‘ hast Du es doch sortiert. Es ist natürlich schon ne ganze Menge, da darfst Du nicht den Ehrgeiz haben, alles lesen zu wollen. trotzdem viel Spaß!“ und Tiffy aus Erfurt schiebt ihren 453. Beitrag postwendend hinterher: „hallo netti, willkommen hier in der community! wie judie schon sagte, die themen sind sehr vielfältig und sicher braucht es ne weile, bis man so den durchblick hat. viel spaß hier beim stöbern“ [7].

Der größte Unterschied zwischen klassischem Kundenservice und Social Media-CRM dürfte somit darin bestehen, dass hier die Kunden die Möglichkeit haben, sich gegenseitig zu helfen. Weder per Post noch per Telefon ist dies beim klassischen Kundenservice möglich. Zudem bietet diese Möglichkeit den Kunden die Chance, meist viel schneller eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten. Ein weiterer Vorteil ist, dass das für den Kundenservice relevante Wissen in der chronologischen Darstellungsform der Foren gesammelt wird und sich in Antwortkatalogen zu den häufigsten Fragen (Frequently Asked Questions, FAQs) verdichten lässt. Viele Fragen können im Endeffekt beantwortet werden, ohne dass der Kunde sich direkt an das Unternehmen wenden muss [8].

Klassische Kanäle sind auf eine 1:1-Kommunikation ausgelegt, in sozialen Medien finden öffentliche Gespräche statt, die von anderen Nutzern mitverfolgt werden können. Laut Cluetrain sind Märkte Gespräche. Unternehmen stehen also vor der Herausforderung, Teil der Gespräche zu sein, ohne aber direkt angesprochen worden zu sein. Monitoring-Tools helfen, die behandelten Themen in ihrer gesamten Bandbreite zu erfassen, zu aggregieren und entsprechend aufzubereiten.


Service-Prozess Social Media aufbauen

Wesentlich schwieriger ist es punktuell akuten Handlungsbedarf zu erkennen. Ob, wann und wer einschreiten soll, muss prozessual entsprechend organisiert werden. Es gilt, Strukturen zu bilden, welche die Teilnahme in sozialen Medien welchen Medien?. Aktives Involvement in eigenen Plattformen und Auftritte bei Facebook & Co. setzen klar definierte Kommunikationsziele voraus; einfach und klar formulierte Social Media-Guidelines helfen den Mitarbeitern bei der täglichen Umsetzung.

Die Analyse identifiziert Themenfelder und ordnet diese den zuständigen Mitarbeitern und Bereichen zu. Für neue „Issues“ mit Potenzial zur Eskalation sollten entsprechende Wege bis in die Unternehmensspitze festgelegt sein. Der wohl bekannteste Fall der letzten Jahre war die Greenpeace-Attacke gegen Nestlé und das Produkt Kitkat. Hier drängte sich der Verdacht auf, dass da „der Praktikant“ mit wenig Fingerspitzengefühl an der Eingabetastatur der Social Media gesessen hatte.

Die zuständigen Mitarbeiter entscheiden nämlich „on the flight“, wie sie handeln und was sie den Kunden über das soziale Medium antworten werden. Negative Beiträge von unzufriedenen Kunden sollten in allen Fällen Feedback erhalten. Hier sollte immer versucht werden, eine Lösung zu finden. Falsche Beiträge sollten grundsätzlich auf freundliche Art korrigiert werden. Fachliche Einträge können Anlass zu einem weiterführenden Gespräch sein. Bei positiven Einträgen von zufriedenen Kunden kann das Unternehmen sich bedanken. Wichtig ist, dass Mitarbeiter immer mit ihrem echten Namen auftreten und ihre Zugehörigkeit zum Unternehmen kennzeichnen.


Best Practice

Der Computerhersteller Dell gilt für die Integration von Social Media in die Unternehmens- und CRM-Strategie als beispielhaft. (vergleiche [9]).

„Zur Überwachung von Unterhaltungen in sozialen Medien hat Dell das „Social Media Ground Control Team“ gebildet, das alle für Dell relevanten Social Media-Kanäle beobachtet und Konversationen analysiert. Die Aufgaben des Teams sind:

• Informationen teilen und Kundenfeedback in Echtzeit bereitstellen,
• zuhören und agieren,
• Warnsignale früh erkennen und schnell handeln,
• sicherstellen, dass effektive Kundeninteraktionen stattfinden,
• unterstützen, indem das Team Support über Social Media in Echtzeit bereitstellt.

Center“ weltweit Märkte und Social Media-Plattformen. Relevante Informationen gibt das Center an Teams in den jeweiligen Ländern weiter. Unabhängig von den speziellen Social Media-Teams sind alle Mitarbeiter von Dell eingebunden. In der Social Media & Community University bekommen alle Mitarbeiter ein Social Media-Training, damit sie wissen, was sie in sozialen Medien für ihr Unternehmen tun können. Ziel des Trainings ist es, zu lernen, wie sie den Kunden richtig zuhören. Im zweiten Schritt bekommen die Mitarbeiter gezeigt, wie sie ihre Social Media-Aktivitäten optimieren können, um kundenorientiert aufzutreten. Wenn Mitarbeiter das Training absolviert haben, dürfen sie im Namen von Dell im Social Web aktiv werden.

Folgende fünf Grundsätze (Social Media-Guidelines) gelten für Dell-Mitarbeiter [10]:

• Protect information
• Be transparent and disclose associations
• Follow the law, follow the code
• Be responsible
• Be nice, have fun and connect

Als kritische Erfolgsfaktoren der Social Media-Aktivitäten werden bei Dell gesehen: a) zuhören, b) die Sprache der Kunden sprechen, c) ihr Anliegen zur Priorität machen, d) den Erfolg messen, e) das Team trainieren. Durch die Ausrichtung des Unternehmens auf den Direktvertrieb war es schon immer das Prinzip von Dell, den Kunden zuzuhören; dies hat auch oberste Priorität bei allen Social Media-Aktivitäten.

Dell ist davon überzeugt, dass soziale Netzwerke sich selbst bereinigen, weil neben Kritikern auch immer Botschafter für das Unternehmen vorhanden sind. Diese Botschafter wirken auf andere Nutzer sehr glaubwürdig, da sie dem Unternehmen zu nichts verpflichtet sind, sondern unabhängig ihre Meinung kundtun. So profitiert Dell von den eigenen Kunden und kann Kosten im Service-Bereich einsparen. Über seinen Service-Kanal auf Twitter (@DellCares) spart das Unternehmen beispielsweise zwanzig Prozent der sonst für klassischen Kundenservice ausgegebenen Kosten ein, weil die Kunden sich gegenseitig helfen, bevor ein Mitarbeiter antwortet. Zudem sind Beiträge und Antworten von Kunden sehr viel glaubwürdiger als von Mitarbeitern eines Unternehmens. In dieser Authentizität sieht Dell eine große Chance – übrigens auch für Kunden-Bewertungen von Produkten im Onlineshop“ [9].


Telcos im Social Media-Service-Check

Die Deutsche Telekom hat mit ihrem Twitter-Account @Telekom_hilft die Chance genutzt und ihr traditionell nicht uneingeschränkt positives Service-Image kräftig aufpoliert – bei kaum einer Social Media-Konferenz 2010/2011 wurde die Microblog-Helpline nicht als positives Beispiel erwähnt.

Da dieser Leitfaden auf Papier gedruckt wird und damit eine längere Halbwertszeit als Digitales hat, wollen wir abschließend in einer Bestandsaufnahme die Aktivitäten im Social Media-Service der Beispielbranche Telekommunikationsanbieter dokumentieren (Mai 2011).

Die Deutsche Telekom hilft in drei Schreibweisen auf unterschiedlichen Plattformen. Das Design von Facebook-Auftritt und Twitter-Account ist einheitlich, Antworten geben allerdings unterschiedliche Mitarbeiter-Teams. Die Responsezeiten sind aus Beobachtung und eigenen Tests recht kurz. Sinnvollerweise wird man aus dem „öffentlichen Gespräch“ in andere 1:1-Kommunikationswege überführt, wenn Daten zur Lösung von Problemen gebraucht werden.

Die Servicenotizen und die Startseite von Telekom hilft sind identisch und im Layout der Telekom-Homepage hochwertig gestaltet. Die Notizen laden zum „Sharing“ mit Facebook, Twitter, StudiVZ, MeinVZ sowie zum „Bookmarking“ bei Google, Digg und Mister-Wong ein. Warum aber nicht zur Weiterleitung per E-Mail? Parallel laufen die Streams von Telekom hilft auf Facebook und Twitter. Etwas versteckt unter den beiden Streams sind zahlreiche hilfreiche Links.

Auf der Homepage www.telekom.de ist der Link zu Telekom hilft auch nach längerer Suche nicht auffindbar; bei Eingabe in das Suchfeld kommt ein Link zum Service-Team von T-Mobile mit einer Service Dispatching-Site zu Kundencenter, Service-Foren und Twitter. Die Gestaltung ist hier zwar in der Homepage-CI, aber mit Elementen, die auch bei Twitter verwendet werden. Hinweise auf Facebook und die Servicenotizen fehlen. Im Mai 2011 scheinen hier (noch) nicht alle Konsolidierungsbaustellen geschlossen zu sein.

E-Plus ist als Dachmarke so gut wie nicht in den Social Media vertreten. Die Eingabe in die Facebook-Suche landet bei einem nicht besonders liebevoll gestalteten Auftritt eines E-Plus-Shops in Kaiserslautern. Die Google-Suche ist deshalb erfolglos, weil es meist darum geht, ob man mit seinem Handy-Tarif kostenfrei mobil auf Facebook zugreifen kann. Die Suche nach BASE in Kombination mit E-Plus führt zu einer gut gemachten Facebook-Site des E-Plus-/BASE-Shops in Stuttgart, wo offensichtlich die Auszubildende kompetenten Service anbietet (inklusive Upgrade-Formulare als Bild gespeichert).

Die Dispatcher-Seite von BASE auf Facebook ist vorbildlich. Es werden klassisch Links zu Endgeräten und Tarifen angeboten und dann in ansprechender Form zu den folgenden Social Media-Angeboten geleitet:

• Blog (Trends, Tipps &Tricks und News),
• YouTube (Augenblicke – Wir sehen was, was Du auch siehst),
• Twitter (Hot Topics aus der Mobile- und Gadget-Welt),
• Facebook (Pinnwand).

„Noch Fragen? Hier geht‘s zum Support“ führt auf eine weitere Dispatcher-Seite, auf der Fragen, Feedback oder Anregungen „offene Ohren und rasche Antworten“ finden. Beispiele hierfür sind:

• Twitter (@BASE_Service, von da aus zu @BASE),
• Forum www.mobilfunkexperten.de (Kunden helfen Kunden),
• Kundenservice-Hotline (mit Kostenangaben),
• BASE Shop-Suche,
• Facebook (Pinnwand – mit Hinweis auf vertrauliche Informationen).

Wie schon bei der Telekom scheint auch hier die Frage nach der hausinternen Organisation zwischen E-Plus und BASE nicht ganz gelöst. Der generische Begriff BASE, der für das Produktangebot steht, ist in den (amerikanischen) Social Media-Angeboten nicht leicht aufzufinden. Eventuell wäre ein Service-Branding hilfreich, das aber zielgruppengerecht deutlich „cooler“ als E-Plus/BASE_hilft klingen könnte.

Die generelle Herausforderung, bei Facebook gleich auf die vom Unternehmen vorgesehene Seite zu treffen, wird auch bei der Eingabe von „o2“ in die Facebook-Suche deutlich: man landet auf irgend einer Seite – im Test auf der Studenten-Seite. Erst der Klick auf o2 (Unternehmen) oder o2More führt auf Dispatcher-Seiten, allerdings mit unterschiedlichen Inhalten.

Definitiv gegen Spielregeln verstößt, dass es nur dann möglich ist, Kommentare zu posten, wenn man vorher auf den „Gefällt mir“-Button gedrückt hat. So gibt es auf der Studenten-Seite lediglich 587 Fans (Stand 6. Mai 2011) und ganze drei sichtbare Einträge im Monat April. Das letzte Posting von Erkan Altan drückt die Stimmung treffend aus: „Wieso kann ich nicht bei o2 direkt was posten. habe zwar gefällt mir und so alles. aber kann da nix machen. nur sehen was die andren schreiben.“ Oftmals antworten Kunden, seitens o2 werden viele Kommentare ignoriert.

Der Service bei Twitter funktioniert deutlich besser als bei Facebook. In der Twitter-Suche wird wiederum die Problematik deutlich, die für internationale Unternehmen und Marken noch nicht befriedigend ist. Erst als 13. Suchergebnis kommt o2online_de, nachdem der interessierte deutsche Microblog-Besucher sich durch eine Menge interessanter Angebote durchgescrollt hat, die in anderen internationalen Märkten, aber leider nicht in Deutschland angeboten werden.

Auf Kritik antwortet das Unternehmen meist zeitnah, die Tonalität erscheint manches Mal etwas „plump“, auf Tippfehler wird häufig nicht geachtet. Verweise auf DM (Direktmail) oder PM (Postmail?) sind sinnvoll, Öffnungszeiten im Internet eher befremdlich. „Wir freuen uns auf Euch. (Mo.-Fr.)“ wirft die Frage auf, wieso sich o2 nicht am Wochenende über Kunden freut? Zudem verzichtet o2 auf Bilder der Mitarbeiter und man kann seinen Ansprechpartner lediglich an Initialen identifizieren – nicht gerade sehr persönlich.

Die Website www.o2.de oder www.o2online.de ist vorbildlich gestaltet, alle Inhalte sind auf der Startseite ohne Scrollen sichtbar und zugänglich. Das o2-Forum ist neben Facebook, Twitter und YouTube gut auf der Website eingebunden. Die o2-Community lädt zu aktiver Teilnahme und Nutzung ein und bietet neben dem Forum eine Wissensdatenbank und ein Ideenportal: Kunden können Ideen posten und andere Kunden darüber abstimmen lassen. Bei beliebten und kreativen Ideen prüft o2 die Umsetzung. Hier ist echter „Web 2.0 Geist“ zu spüren, Kunden fühlen sich gut angesprochen und integriert.

Auf der Facebook-Seite vodafoneDE gibt es eine hochwertig gestaltete Aufforderung, Fan zu werden und der Klick auf den „Gefällt Mir“-Button führt zu einer Seite mit Events und attraktiven Angeboten. In der rechten Bildschirmhälfte lässt Vodafone Veranstaltungseinladungen, Fotos von Freunden sowie Events von Freunden aus dem persönlichen Facebook-Account erscheinen. Dies scheint durchaus geeignet, einen höheren Vertrautheitsgrad des Vodafone-Angebots insgesamt zu erzeugen. Die beiden für Facebook zuständigen Vodafone-Mitarbeiter werden mit Namen und Fotos abgebildet und der Kommunikationsstil ist sehr freundlich; aber auch die Kunden untereinander unterhalten sich angeregt. Hier kann man übrigens den Umgang mit einem im Fach-Jargon „Troll“ genannten hyperaktiven User beobachten: Kunde „Miller Jeff“ kommentiert fast jeden Beitrag – und zwar negativ und unqualifiziert. Vodafone ignoriert zumindest öffentlich seine Kommentare. Andere Kunden aber ergreifen Partei für Vodafone und bittet sogar um Sperrung von „Miller Jeff“.

vodafone_de auf Twitter verwendet wie Telekom und BASE auch die stilistisch an Polaroid-Bilder erinnernden Fotos der Mitarbeiter und deren Kürzel, sodass die Kunden immer wissen, von wem sie Antwort bekommen haben. Die Sprache ist locker und freundlich, es werden immer wieder hilfreiche Links zu Testberichten mit Shortlinks angeboten. Auf der Facebook-Startseite und der Twitter-Seite ist in der linken Bildschirmhälfte zudem eine gute Übersicht über andere Onlineangebote von Vodafone (Vodafone im Netz und Social Links) zu finden. Leider war dieses Angebot im Test als Bild eingefügt, das nicht „clickable“ gemacht wurde und somit nicht zu den angegebenen Seiten führen konnte. Bei Twitter passierte gar nichts, bei Facebook führte der Klick eben zu den Bildern.

Webforum und Weblog sind übersichtlich gestaltet und gut gegliedert; eine Besonderheit ist, dass Vodafone zusätzlich auch bei StudiVZ/MeinVZ Anfragen bearbeitet.


Fazit

Social Media ergänzen den Kundenservice sehr gelungen. Junge Leute in jungen Märkten erwarten ihre Marke und dazugehörigen Service in ihren Kanälen, aber auch in reiferen Märkten und im Business-to-Business-Bereich finden Gespräche auf digitalen Plattformen statt. Das Social Media-Team im Unternehmen wird zum Wächter eines intelligenten Frühwarnsystem für den Servicebereich, aber auch für Marketing, Produktion und Entwicklung. Best Practice-Beispiele wie Dell zeigen, was heute schon möglich ist. Für diejenigen Unternehmen, die noch nicht in Social Media aktiv sind, wird immer deutlicher, dass eine Involvierung in diese Gespräche „Pflicht“ und nicht „Kür“ sind. These 40 aus dem Cluetrain Manifest formuliert dies deutlich drastischer: „Unternehmen, die nicht am Diskurs teilnehmen, werden aussterben.“


Literatur

[1] Levine, Rick/Locke Christopher/Searls, Doc/Weinberger, David: Das Cluetrain Manifest. 95 Thesen für die neue Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter. – Econ 2000.
[2] RightNow Technologies, Abruf am 6.5.2011 – http://de.rightnow.com/strategien-eightsteps.php
[3] TÜV Süd, Quality Quarterly, „Grundlagen von gutem Service“, o.J.
[4] Lange, Corinna/Heymann-Reder, Dorothea/Weinberg, Tamar: Social Media Marketing: Strategien für Facebook, Twitter & Co. – O’Reilly 2010.
[5] RightNow Technologies, Whitepaper: Kundenservice trifft Social Media. – 2009.
[6] Sen, Evrin: Social Media Magazin Nr. 2011-II. Social Media Verlag.
[7] http://www.hej-community.de, Abruf am 6. Mai 2011.
[8] Liller, Tapio/Schindler, Marie-Christine: PR im Social Web. Das Handbuch für Kommunikationsprofis. – O’Reilly 2011.
[9] Buck, Michael: Aufzeichnungen aus Vortrag im Seminar CRM/Social Media an der Hochschule der Medien in Stuttgart am 26. April 2011.
[10] Dell: Social Media Guidelines – http://content.dell.com/us/en/corp/about-dell-socialmedia.aspx

Detecon International GmbH/Munich Business School: Studie: Kundenservice der Zukunft. – 2010.
Simmet, Heike/Weische, Kevin: Nutzung von Social Media im Kundenservice: Zusammenfassung Social Media Monitoring Studie 2010. – Hochschule Bremerhaven.

Unterstützt wurde Prof. Eichsteller vom CRM/Social Media Kompetenzteam im Masterstudiengang Elektronische Medien an der Stuttgarter Hochschule der Medien – Bianca Behrens, Inga Fröhlich und Corinna Kramm.
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Harald Eichsteller ist Professor für Internationales Medienmanagement an der HdM Stuttgart und hält seit 20 Jahren Vorträge als Experte für CRM.