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Wessen Anwalt sind Sie?

Wessen Anwalt sind Sie? Weshalb wechseln wir die Seiten, wenn uns unsere Kunden nahe stehen?
Gaby S. Graupner | 10.04.2014
“Ja, aber mein Kunde braucht doch…“ oder “Da müssen wir dem Kunden ein bisschen entgegenkommen“ oder “Das geht ja gar nicht, das können wir dem Kunden nicht antun…“, solche oder ähnliche Sätze werden immer wieder von Außendienstmitarbeitern geäußert. Viele Vertriebsmitarbeiter springen mit Vehemenz in die Bresche, wenn Preise erhöht oder gewohnte Vorteile des Kunden geändert werden sollen.

Mancher Außendienstmitarbeiter überlegt sich fintenreich, wie er die Sonderwünsche seines Kunden an den Regeln des Unternehmens vorbei erfüllen kann, um so dem Kunden einen Gefallen zu tun oder dessen Interessen konsequent zu vertreten.

Dabei denkt sich keiner etwas Böses und im Endeffekt kommt es ja dem eigenen Unternehmen zugute, weil der Kunde dann loyal auf Jahre hinaus dem Unternehmen erhalten bleibt, so die „kluge“ Begründung der Mitarbeiter. Das habe ich gerade wieder in den letzten Wochen bei Trainings mit Außendienstmitarbeitern live erlebt.

Lassen Sie uns einen Sprung zu einem ganz anderen Beruf machen, zum Rechtsanwalt. Was genau macht eigentlich ein Rechtsanwalt? Die Studienberatung.com beschreibt die Aufgabe unter anderem so: „…Die Aufgaben eines Rechtsanwalts sind allgemein die Vertretung eines Mandanten in Rechtsfragen…“. Der Anwalt vertritt also die Interessen seines Mandanten.

Als nächstes stellt sich die Frage: Wer ist der Mandant des Rechtsanwalts? Ist es derjenige, der den Anwalt per Mandat, also mittels eines Vertrages, beauftragt hat? Stellen Sie sich den fiktiven Fall vor, dass Sie geerbt haben und ein „böser“ Verwandter macht Ihnen Ihr Erbe streitig. Sie beauftragen Ihren Anwalt mit diesem Problem, damit er vor Gericht und grundsätzlich Ihre Interessen vertritt. Eines Tages stellen Sie fest, dass Ihr Anwalt offensichtlich auf der Seite des Verwandten steht und Ihnen vehement klarzumachen versucht, welch unterstützungswürdiger Mensch der Verwandte doch sei. Sie wären zu Recht verärgert und würden sich fragen, wessen Anwalt dieser Anwalt nun ist, Ihrer oder der des Verwandten?

Wessen Anwalt sind Sie als Außendienstmitarbeiter? Wessen Mandat haben Sie übernommen oder anders formuliert: Mit wem haben Sie Ihren Vertrag abgeschlossen? Mit Ihrem Unternehmen einen Arbeitsvertrag? Das wäre die Theorie. Und die Praxis? Hand aufs Herz, wie oft waren Sie in letzter Zeit der Anwalt Ihres Kunden? Gerade wenn Kundenbeziehungen über Jahre oder gar Jahrzehnte gewachsen sind, verschieben sich die Grenzen oft auf geheimnisvolle Weise ganz leise und unauffällig. Man ist mit dem Kunden per Du, hat so manche Firmenveranstaltung gemeinsam besucht, auch mal ein Bier oder ein Glas Wein mehr getrunken und vielleicht sogar die Hochzeit, die Geburt des ersten Kindes und später die Scheidung miterlebt. In solch einer Situation wechselt das Kundenverhältnis scheinbar fast in ein freundschaftliches.

Damit es kein Missverständnis gibt – Konsensitives Verkaufen steht für Verkaufen auf Augenhöhe. Das bedeutet, dass wir den Kunden genauso auf Augenhöhe behandeln wie uns selbst. Auch ist es vollkommen in Ordnung, unserem Kunden entgegenzukommen oder ihn auch einmal in einer besonderen Situation zu unterstützen. Unsere Beziehung mit unserem Kunden kann eine Form der Mischkalkulation sein, einmal stehen unsere Vorteile im Vordergrund und ein andermal die Vorteile des Kunden. Doch das Gleichgewicht sollte immer erhalten bleiben und partnerschaftliches Verhalten nie ausschließlich zu Lasten des eigenen Unternehmens gehen. Sobald wir nicht mehr offen über unser Handeln sprechen können, verlassen wir den Pfad unseres Mandates. Denken Sie daran: Sie sind der Anwalt Ihres Unternehmens! Das gilt auch für Selbständige und Handelsvertreter, nicht nur für angestellte Vertriebsmitarbeiter.

Wie bleiben Sie als Selbständiger Anwalt Ihres Unternehmens?

Wenn unsere Kunden Wünsche oder Forderungen haben, die wir so nicht geplant hatten, ist es oft nicht einfach „nein“ zu sagen. Das fängt bei den Preisen an und hört nicht bei Sonderwünschen auf.

Erfahrungsgemäß hilft eine ausführliche Preisliste, schneller und standfester zu reagieren. Auf eine Preisliste, die Sie beim Verhandeln unterstützen soll, gehören nicht nur die Einzelpreise eines Produktes oder der Stunden- bzw. Tagessatz einer Dienstleistung. Darauf gehören auch Mehrtagessätze und die dazugehörigen Rabattsätze, soweit vorhanden. Bei nichts hat man sich schneller „verrechnet“ als in dem Moment, in dem der Kunde mit dem Auftrag winkt, womöglich sogar überraschend und gleichzeitig ein Vielfaches des Einzelpreises anfragt.

Eine unterstützende Preisliste enthält auch Preise für Leistungen, die normalerweise inkludiert sind. Das können zum Beispiel die Unterlagen oder die Vorbereitungszeit sein. Manch ein Kunde hat feste „Beträge“, die er für die eigentliche Leistung zu zahlen bereit ist und ist dabei auch sehr konsequent, wobei Nebenkosten ohne Diskussion bezahlt werden. Im Gespräch diese „Nebenkosten“ zu entwickeln, gelingt selten.

Blicken Sie einmal auf die letzten ein oder zwei Jahre zurück. Welche Sonderwünsche von Kunden haben Sie erlebt und wie würden Sie diese heute in einer ruhigen Minute gerne berechnen? Einfach deshalb, weil Sonder-wünsche auch einen Sonder-aufwand darstellen. Jetzt ist es einfacher, dafür einen Preis festzulegen als mitten in der Situation. Alleine die Reisekosten können auf vielfältige Weise berechnet werden, zum Beispiel pro Kilometer, als Pauschale (Standard, gehoben oder Luxus) oder inkludiert, dafür ein höherer Tagessatz. Je nach Situation nennen Sie sofort den richtigen Preis.

Je klarer Sie diese Positionen in einer ruhigen Minute festgelegt haben, desto klarer sind Sie, wenn Sie die Preise nennen und desto weniger verhandelt Ihr Kunde. Damit es nicht heißt, wie vor kurzem erlebt: „Ich höre an Ihrer Stimme, da geht noch was“, als ein Coachee (Coachingkunde) am Telefon dem Kunden seinen Preis nannte. Denken Sie immer daran: Ihre Preise sind nicht gerührt und nicht geschüttelt, sondern kalkuliert. Das sollten sie jedenfalls sein!

Alles, was Sie mit Preisen machen können, also sie im Vorfeld klar definieren und festlegen, können Sie auch mit anderen Forderungen und Sonderwünschen Ihrer Kunden machen. Wichtig dabei ist nur, dass Sie im Vorfeld überlegen, welche individuellen Wünsche aufgrund Ihrer Erfahrung vom Kunden kommen können. Schreiben Sie bei diesen Sonderwünschen entweder ein klares „Nein“ dahinter oder „Ja, gerne“ oder einen Betrag ganz nach dem Motto: „Schmerzensgeld“.
Auch als Selbständiger haben Sie einen Vertrag – in diesem Fall mit sich selbst. Behandeln Sie sich auf Augenhöhe und bleiben Sie Ihr eigener Anwalt. Stolpern Sie nicht in die „Eh da“-Falle. Was das ist? Na ja, Sie sind ja eh da – da können Sie das schon mal schnell miterledigen.

Viel Erfolg bei Ihrer Umsetzung wünscht Ihnen

Gaby S. Graupner

Training: Konsensitives Verkaufen - Verkaufen auf Augenhöhe Speaking: Impulse in Rot Vortrag: Die schönste Sache der Welt: Verkaufen Mut zum p