So lässt sich Kaufverhalten vorhersagen
Daten lassen vorhersagen, wer sein Zeitungsabo kündigen oder seinen Versicherer wechseln wird. Die Supermarktkette Target erkennt am Surfverhalten weiblicher Kunden ob sie schwanger sind. Lebensversicherungen wollen herausgefunden haben, dass Frührentner auch früher sterben, und Airlines wissen, dass Veganer seltener ihre Maschine verpassen. Daten sind heute ein wichtiger Teil des Betriebsvermögens. In manchen Unternehmen sind sie das Wichtigste überhaupt. Nur ist das leider nicht jedem klar. Es geht nicht um das Sammeln möglichst vieler Informationen, sondern die Umwandlung des „Rohstoffs“ Information in verwertbares Know-how: Wissen um die Kunden und ihre Vorlieben und Abneigungen, das Wissen um die Abläufe der Unternehmensprozesse und deren Aussteuerung, das Wissen um Reibungsverluste, die es zu vermeiden gilt, um die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. Die Analysten der Altimeter Group haben eine Definition von Digitaler Transformation geliefert, die genau diese Aufgabe in den Mittelpunkt stellt, nämlich die „Neuausrichtung von Technologien und Geschäftsmodellen, um die Zusammenarbeit mit den digitalen Kunden an möglichst jedem Berührungspunkt mit dem Unternehmen und den Lebenszyklus der Kundenbeziehung zu verbessern“. Das heißt, nicht das Sammeln von Daten ist wichtig, sondern die Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen den Daten zu verstehen. Eine wesentliche Stärke von Big Data ist die Chance, mit Hilfe des Computers dort Korrelationen und Muster zu erkennen, wo Menschen nur Datenchaos sehen. In einem Report der Analystenfirma Gartner heißt es: „Maschinen werden in Zukunft intuitiv genug sein, um menschliche Absichten zu verarbeiten, statt nur auf Anweisungen zu reagieren.“ Wenn die Systeme immer mehr und immer komplexere Daten liefern, steigen die Anforderungen an die Datenqualität enorm. Irgendjemand muss sicherstellen, dass Daten aktuell und relevant sind, und dass sie aus garantiert vertrauenswürdigen Quellen stammen. Das ist heute keineswegs immer gewährleistet. In den so genannten Verzeichnissen sind die Namen der Anwender oder Kunden festgehalten, aber oft mit völlig unterschiedlichen Schreibweisen. Ist „Hans Müller“ im einen System wirklich der „H. Müller“ im anderen? Konsistenzprüfung und Datenbereinigung ist ebenso wie das Anlegen von so genannten „Metaverzeichnissen“ eine Aufgabe, die irgendwo im Niemandsland zwischen Marketing, Controlling und IT angesiedelt ist. Daten werden heute in unterschiedlichen Systemen erzeugt und vorgehalten, die berühmten „Daten-Silos“, auf die in der Regel nur die betroffene Fachabteilung Zugriff hat. Irgendjemand muss diese Systeme zusammenführen und integrieren. Auch hier sind Controller gefordert. Sie müssen dazu aber über Fachkenntnisse in der IT-Technik wie in der Prozessoptimierung verfügen. Wenn sich das Controlling den Anforderungen der Digitalen Transformation stellen soll, dann muss sie in der Lage sein, in die Zukunft zu blicken. Nein, nicht mit Hilfe einer Kristallkugel oder mit Tarockkarten. Big Data lässt sich nur mit leistungsfähigen Analysesystemen beherrschen. Wobei hier eine Art „digitaler Dreisprung“ zu erkennen ist: Von der beschreibenden über die vorausschauende Analyse bis hin zu Empfehlungssystemen. Oder, um die englischen Termini zu verwenden: „Descriptive Analytics“, „Predictive Analytics“ und „Prescriptive Analytics“. Deskriptive, oder beschreibende Analyse entspricht der klassischen Reporting-Funktion, die dem Controller von alters her vertraut ist. Sie beschreibt den Status quo, also die historische Entwicklung des Unternehmens, zum Beispiel anhand von Zielabweichungen. Die darauf aufbauende „diagnostische Analyse“ versucht, aus diesen Ergebnissen Ursachen aufzuspüren, zum Beispiel warum liegen die Kosten über Plan oder warum stockt der Abverkauf? Diese so genannten Plan-Ist-Vergleiche lassen sich weitgehend automatisieren. Die durch die Automation gewonnene Zeit wird in Zukunft für die vorausschauende Analyse, also für „Predictive Analytics“ genutzt. Es gibt eine Fülle von Software-Tools, die in der Lage sind, aus den Unmengen von Daten Muster zu erkennen oder Zusammenhänge zwischen scheinbar nicht verwandten Daten zu ziehen. Diese Software wird genutzt, um mit Hilfe der entsprechenden Algorithmen nicht nur Prognosen zu wagen, sondern um die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse zu berechnen und die Risikoverteilung zu ermitteln. Predictive Analysen können zu höchst überraschenden Ergebnissen führen. In seinem Buch „Predictive Analytics: The Power to Predict Who Will Click, Buy, Lie, or Die” gibt der US-Autor Eric Siegel eine Reihe von Beispielen, welch erstaunliche Ergebnissen die vorausschauende Analyse heute liefern kann. Computer können heute relativ genau vorhersagen, wer sein Zeitungs- oder Zeitschriftenabo kündigen oder wann er seinen Versicherer wechseln wird. Die Supermarktkette Target analysiert angeblich das Surfverhalten weiblicher Kunden um herauszufinden, ob sie schwanger sind, um sie gegebenenfalls besser mit Dingen wie Windeln oder Babynahrung versorgen zu können. Lebensversicherungen wollen herausgefunden haben, dass Menschen, die in Frührente gehen, in der Regel auch früher sterben, und Fluggesellschaften wissen, dass Veganer seltener ihre Maschine verpassen. Im Personalwesen wird Predictive Analysis eingesetzt, um festzustellen, ob sich Mitarbeiter mit Kündigungsgedanken tragen. Ein Paradebeispiel für das Funktionieren – und den Nutzen – von prädiktiven Analysesystemen lieferten im Sommer 2016 Forscher in Kalifornien, die mit Microsoft zusammengearbeitet haben, um die Früherkennung von Bauchspeicheldrüsenkrebs zu verbessern. Sie haben das Suchverhalten von Patienten in der Microsoft-Suchmaschine Bing über mehrere Monate vor der Entdeckung der Erkrankung zurückverfolgt und dabei festgestellt, dass die späteren Krebspatienten ein typisches Verhaltensmuster erzeugten. Wird ein solches Muster bei einem Nichtpatienten erkannt, kann man ihn auffordern, vorsichtshalber zum Arzt zu gehen und sich untersuchen zu lassen. Die Chance, dass der Krebs im Frühstadium erkannt wird, wächst sprunghaft und damit auch die Überlebenschance; von den Kosten für die Krankenversicherung ganz zu schweigen. Die Kunst, in die Zukunft zu schauen, ist also gar keine Kunst, sondern das Ergebnis sorgfältiger Auswertung und richtiger Interpretation von riesigen Datenmengen. Um Prognosen über zukünftige Entwicklungen im Unternehmen machen zu können, braucht es belastbare Daten über Eintrittswahrscheinlichkeiten und Risikoverteilung. Nur so können verlässliche Szenarienberechnungen erstellt und Entscheidungen auf eine stabile Datenbasis gestellt werden. Leider erfolgen aber Finanzplanung (GuV, Bilanz & Cash Flow) und operative Planung (Absatz, Produktion, Personal) in den meisten Unternehmen getrennt. Sie haben deshalb oft keinen echten Bezug zu den Treibern des operativen Geschäfts. Mangelnde Berücksichtigung strategischer Ziele können aber zu unterschiedlichen Erwartungshaltungen auf verschiedenen Ebenen innerhalb des Unternehmens und damit zu erheblichem Abstimmungsaufwand führen. Schneller und effizienter ist es, die auf das Geschäftsmodell abgestimmte Werttreiberplanung, wie sie in vielen Unternehmen heute eingesetzt wird, direkt mit Predictive Analytics zu verknüpfen. So lassen sich wesentlich bessere Voraussagen machen, die Auswirkungen auf das operative Geschäft werden klarer dargestellt. Ist man aber erst einmal so weit, dann bietet sich der nächste logische Schritt von selber an: Die Automatisierung von unternehmerischen Entscheidungen. Womit wir bei „Prescriptive Anaytics“ angelangt wären. Ein „Perscription“ ist im Englischen ein Rezept, den der Arzt ausstellt und mit dem der Patient in die Apotheke geht. Die vorausschauende Analyse bietet Antworten auf die Frage: „Was könnte passieren?“ Die sehr viel interessantere Frage lautet aber: „Was sollen wir tun?“ Und damit sind wir mittendrin in der Welt der „präskriptiven“ Analyse. Für Patrick Schwarzl, Senior Berater bei Contrast Management, ein Beratungsunternehmen, liegt hier ein enormes Potenzial für das Controlling. „Forecasts und Szenarienrechnungen können auf eine stabile Datenbasis gestellt werde und ermöglichen so eine verstärkte Vorwärtsorientierung“, sagt er. Antworten können zum Beispiel bei der Preisoptimierung helfen, aber auch bei der Feinjustierung des Marketing-Mix oder im Fondsmanagement: Überall da, wo zeitkritische Entscheidungen gefällt werden müssen. Automatische Systeme müssen nicht lange nachdenken: Sie können in Sekundenbruchteilen handeln. Bei größeren Entscheidungen kann das System zeitnah Handlungsempfehlungen liefern, die dann im Management diskutiert und letztlich von Menschen entschieden werden. In jedem Fall ist Zeit in der Planung im wahrsten Sinne Geld.