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Fit für komplexe Customer Journeys im B2B

Jede Customer Journey ist anders. Den Überblick liefert die Analyse der Touchpoints und Vorgänge. Kundenorientierung bleibt das A und O.
Georg Blum | 25.02.2019
© Pexels / Rawpixel
 
Die Art, wie Unternehmen einkaufen, verändert sich durch E-Commerce und Online-Portale radikal. B2B-Kunden erwarten sogar mehr Komfort als im privaten Umfeld. Lieferanten müssen deshalb für beste User Experience sorgen. Sie benötigen innovative Informationsprozesse und Customer-Relationship-Management-Strategien.

Es gibt sie nicht, „die eine“ Customer Journey. Je nach Vorgeschichte, Kommunikationshistorie, Leidensdruck, aktuellen Bedürfnissen, Kommunikationsimpulsen, die einen Kaufvorgang auslösen, oder Absicht des Suchenden sind die Verläufe (Journeys) selbst innerhalb einer Zielgruppe, ja einer einzelnen Person, unterschiedlich. Zudem verändern sich die Abläufe im Laufe der Zeit durch Erfahrungen, Empfehlungen, gespeicherte Bookmarks oder Gewohnheiten. Für einen Überblick der wichtigsten Journeys sind Verantwortliche, die eine möglichst perfekte User Experience erreichen wollen, gut beraten, zunächst die einzelnen Stationen dieser Reise (Customer Touchpoints) sowie die dazugehörigen Vorgänge und die Arbeit der Beteiligten zu analysieren. Das heißt, den User per Schulterblick, Klickverlauf oder Blickverlaufsstudie zu beobachten. Dafür sollten sie die Sicht verschiedener Interessenten-/Kundengruppen einnehmen und die am häufigsten stattfindenden Abläufe außerhalb und innerhalb des Unternehmens betrachten sowie die emotionalen Erlebnisse dokumentieren.

Daten als Basis zur Steuerung der Reise des Kunden


Aus den Ergebnissen lassen sich vielfältige Informationen gewinnen. Beispielsweise erfährt das Unternehmen, in welchem Fall der Käufer welche Optionen suchte bzw. hatte und welche er tatsächlich genutzt hat. Es wird klar, wie schnell die verschiedenen Phasen durchlaufen werden oder wo Abbrüche und Wiederaufnahmen stattgefunden haben. Ebenso erhält das Unternehmen Aufschluss über den Verlauf der eigenen Prozesse, die mit ihnen verbundenen Aufgaben, Verantwortlichkeiten sowie organisatorische Ungereimtheiten. Es zeigt sich, an welchen Schnittstellen Daten entstehen, verfügbar und abrufbar sein müssen. Diese Erkenntnisse stellen die Basis für die gezielte Optimierung und Steuerung der Prozesse entlang der Customer Journey sowie einer abteilungsübergreifenden Arbeit aller Beteiligten dar.

Ziel sollte sein, den Dialog vom Lead bis zum Abschluss konsequent am Laufen zu halten und dabei sämtliche Re-/Aktionen des Unternehmens am Kunden auszurichten. So führt zum Beispiel ein Buchungsabbruch in einem Hotelvermittlungsportal zwei Minuten später zu einer E-Mail, also einem vordefinierten Kommunikationsanstoß. Dies erfordert einiges an Arbeit: Unternehmen müssen an allen Kontaktpunkten auf korrekte Daten zurückgreifen können. Diese bilden die Grundlage für effektives Touchpoint-Management. Ohne die korrekten Daten ist eine individualisierte bzw. personalisierte Ansprache nicht möglich. Das bedeutet: Die Datenqualität muss stimmen. Sie entwickelt sich somit zu einem Wertschöpfungsfaktor. Ein einmaliger Adress- und Datencheck reicht dazu nicht aus. Innerhalb jedes Kundenkontakts muss validiert, ergänzt und korrigiert werden. Eine kontinuierliche Pflege, auch vom Kunden selbst, ist eine notwendige Bedingung.

Integration neuer Möglichkeiten


Wie groß das Potenzial von Daten sein kann, zeigt der Siegeszug verschiedener Plattformen wie Amazon Business und SAP Ariba. Deren oberstes Ziel liegt darin, Angebots- und Nachfragedaten zu matchen. Dabei entstehen hochwertige Informationen. Aber bei Aktivitäten auf Plattformen ist Vorsicht geboten. Denn diese geben ihre Daten in der Regel nicht weiter. Kurzfristig kann ein einzelnes Unternehmen den Umsatz über diese Plattformen ankurbeln. Wickelt die Plattform jedoch große Marktanteile einer ganzen Branche ab, entsteht eine Abhängigkeit, der ganze Marktsegmente zum Opfer fallen können.

Unternehmen sollten somit auf ihre Unabhängigkeit achten. Dies bedeutet, akzentuiert „mitzuspielen“ und die Plattform lediglich als eine zusätzliche Möglichkeit für den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen zu betrachten. Dieser Logik folgend, sind Kunden auf einer Plattform anders einzubinden. Ein Beispiel: Das Unternehmen bietet nur Schnelldreher bzw. weil hoher Konkurrenzdruck herrscht, margenschwache oder Einstiegsprodukte an. Über die beratungsintensiven Produkte sollte das Unternehmen seine Hoheit behalten – und über sie und komplementäre Dienstleistungen von der Konkurrenz differenzierende, langfristige Kundenbeziehungen anstreben. Positive Erfahrungen aus den ersten Abschlüssen mit dem Lieferanten über die Plattformen führen später zu eigenen Leads bzw. Direktkontakten.

Eine weitere zentrale Frage innerhalb der Customer-Journey-Betrachtung lautet: „Wie lenke ich Interessenten auf meine Website?“ Suchmaschinenoptimierung und -marketing sind inzwischen ein Muss – eine spezifische, personalisierte Landingpage auch. Immer wichtig ist eine persönliche Kommunikation zu relevanten Personen über eigene und fremde Blogs, Informationsportale oder Beziehungsnetzwerke wie XING oder LinkedIn mit Informationen, die für diese Zielgruppe besonders interessant sind. Auf der Website bildet dann eine intelligente Newsletter-Registrierung oder ein Live-Chat die Chance zur Lead-Gewinnung und -qualifizierung.

Mit den richtigen Informationen die Ansprache verbessern


Eine weitere nützliche Methode für die Ansprache von potenziellen Neukunden ist das B2B Web Scoring. Im ersten Schritt werden die Text-Informationen auf den Homepages der Bestandskunden analysiert. Häufig vorkommende Begriffe und Phrasen werden herausgefiltert und als ähnliche bzw. differenzierende Merkmale geclustert. Im nächsten Schritt erfolgt ein Abgleich dieser Daten mit Webseiten von Nicht-Kunden. Daraus entsteht ein genaues Potenzial von Unternehmen.

Ein weiteres Mittel, um konkrete Gesprächsaufhänger zu finden, ist das Matching mit Informations-Datenbanken. So profitieren Unternehmen von Angeboten an elektronischen Presse-, Unternehmens- und Wirtschaftsinformationen. Das sind z. B. die GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank oder EBID. Dabei werden der wirtschaftliche Status von Geschäftspartnern überwacht, Presse-Berichte verfolgt, Trends, Entwicklungen in Branchenreports und Wirtschaftsanalysen dem Lead- oder Kundendatensatz zugespielt. Diese Informationen bieten hervorragende Kontaktanlässe.

Für eine maximale Potenzial-Ausschöpfung müssen crossmedial die Kommunikationsprozesse entlang der gesamten Customer Journey sinnvoll verknüpft werden. Geeignete Softwarelösungen können dabei einen wertvollen Beitrag leisten. Richtig ausgewählt und angewendet helfen sie, die passenden Informationen zur richtigen Zeit über den am besten geeigneten Kanal bereitzustellen. Ein Beispiel: Die Information über Vergrößerungspläne löst eine weitere Qualifizierung, ein Beratungsgespräch, eine Versendung einer Broschüre und in der Folge eine Online-Bestellung aus. Diese führt zu einer Dankes-E-Mail. Nach der Paketempfangsbestätigung erfolgt eine Zufriedenheitsabfrage mit Cross-/ Up-Selling-Angebot per Telefon.

Kundenorientierung bleibt das A und O


Unabhängig davon, welche der verschiedenen Möglichkeiten wie verknüpft zum Einsatz kommen, ist es wichtig, dass das Leadmanagement unter dem Aspekt des Kundenwerts steht. Es geht darum, Kunden zu finden und zu binden, die einen hohen Wert haben. Dafür wird über eine Zielgruppen-Strategie sowie eine Kundenwert-Analyse zunächst definiert, welche Kunden wichtig sind, welche das Unternehmen aufbauen möchte und welche weniger oder nicht bedeutend sind. Dabei sollten Unternehmen nicht nur das oft unspezifische Firmenpotenzial heranziehen, sondern die Prioritäten, für wen welcher Aufwand innerhalb der Anfrage, des Auftrags und der Abwicklungsprozesse betrieben werden soll, auch nach dem Projektpotenzial setzen. Beispiel: Ein Landwirt benötigt ein Kugellager für seinen Mähdrescher. Das Kugellager kosten 15 Euro. Der Abwicklungsaufwand löst Kosten im Wert von 100 Euro aus. Frage: War das ein einmaliger Kauf oder erwirbt er auch noch Produkte für über 1.500 Euro pro Jahr? Dies zeigt: Es geht um Fokussierung und die Möglichkeiten, eine Kundenbeziehung voll auszuschöpfen, indem dem Kunden noch weitere Produkte und/oder Dienstleistungen angeboten werden.

Dem Wert entsprechend werden dann das Budget und die Mitarbeiter eingesetzt. Das kann auch bedeuten, sich von unrentablen Kunden zu trennen. Das heißt, nicht das Bauchgefühl walten zu lassen, sondern klare, transparente Maßstäbe bzw. Kennzahlen geben den Mitarbeitern Hilfestellung bei ihren Entscheidungen und Aufwendungen. Die erfreuliche Folge: Sowohl Umsatz als auch Rentabilität verbessern sich.

Fazit


Angesichts stetig neuer Möglichkeiten für den Einkauf von Produkten sowie Dienstleitungen können selbst immer komplexer werdende Customer Journeys intelligent optimiert werden. Die User Experience lässt sich weiter perfektionieren – frei nach dem Motto: nicht allen alles, sondern an jedem Kundekontaktpunkt innerhalb der Customer Journey nach dem (potenziellen) Kundenwert entscheiden! Diese Art der Kundenorientierung verlangt an allen wichtigen Stellen sowie Zeitpunkten die relevanten Daten und stellt somit eine Kernaufgabe für jedes Unternehmen dar.