Das Potenzial von Programmatic Advertising
Programmatic Advertising (PA) bietet viele Möglichkeiten relevante Endverbraucher zielgerichtet anzusprechen. Leider wird es, wie viele andere Tools im digitalen Marketing, nicht richtig eingesetzt und verfehlt somit die Idee der nutzerzentrierten Erreichung von relevanten Endverbrauchern. Es ist weiterhin ein Trugschluss, dass PA ausschließlich für große Unternehmen relevant ist, ganz im Gegenteil, gerade für kleine und mittlere Unternehmen birgt es große Chancen für ein rasches Umsatzwachstum, insofern sich nicht ausschließlich in bekannten Grenzen bewegt wird und ein disziplinübergreifendes Denken und Handeln stattfindet.
Was ist Programmatic Advertising eigentlich?
Im weitesten Sinne handelt es sich bei Programmatic Advertising um den automatisierten, datengestützten Einkauf von Werbefläche in Echtzeit. In der Regel sind diese mit der Erreichung nachgelagerter, (hoffentlich) im Vorfeld der jeweiligen Maßnahme definierter, Ziele verknüpft. Es sollte dabei deutlich zwischen zukunftsorientierten Awareness- und vergangenheitsorientierten Performancezielen unterschieden werden, zumal sich beide im gleichen Zeitraum nur schwierig realisieren lassen.
Den Start im deutschsprachigen Markt hatte Programmatic Advertising 2009, auch wenn sogenannte Experten es immer wieder in einen anderen zeitlichen Kontext rücken, um in erster Linie eigene Geschäftsmodelle, bzw. Interessen zu stützen und/oder das eigene Zögern zu relativeren (Gefährlich, zumal man unter strategischen Gesichtspunkten auch immer andere Märkte und den dortigen Wissensvorsprung zu berücksichtigen hat, welchen etwaige Wettbewerber durch frühzeitige Auseinandersetzung haben könnten. Diese werden nicht erst warten, bis sich der Marktbegleiter auf Augenhöhe entwickelt hat, ganz im Gegenteil: Sie werden die Situation zum eigenen Vorteil nutzen).
Zu Beginn war Programmatic Advertising gemeinhin bekannt als Real Time Bidding (RTB), was sich auf die Mechanik des Einkaufs an sich bezieht. Im Prinzip ist die Mechanik mit einem Einkauf bei eBay vergleichbar. Anbieter und Käufer kommen zusammen und der Verkauf von Gut X findet auf Gebotsbasis statt. Beide Parteien können dabei gewisse Rahmendaten wie Einstiegspreis, maximales Gebot und Laufzeit der Auktion eigenständig bestimmen. Eine beinahe vollständige Kontrolle ist für beide Parteien gegeben.
Der Ein- und Verkauf findet über die entsprechende Technologie, der Demand Side Platform (DSP) als Zugang für den Einkauf und der Supply Side Platform (SSP) als Instanz für den Verkäufer, statt. Kern sind Algorithmus basierte Mechaniken, welche nach Anbieter variieren und den Anwendern verschiedenste Formen der Integration, Optimierung und Auswertung gewonnener Insights bieten.
Was sollte ich über die Marktplätze wissen?
Man unterscheidet beim Einkauf zwischen Open und Private Marketplace. Der Open Marketplace ist praktisch jedem Marktteilnehmer zugänglich, der Private Marketplace hingegen bedarf vorhergehender, zum Teil sehr aufwändiger, Auseinandersetzung mit dem Anbieter der Werbeflächen und stellt nach Meinung des Autors mittlerweile eine Pervertierung des datengetriebenen Gedankens dar, da häufig annahmebasierter Einkauf dem Einkauf auf Basis validierter Daten und neutraler Algorithmen der Vorzug erteilt wird, vermeintlich zur Sicherung der Qualität. Das hat jedoch zur Folge, dass zwar diesem individuellen Wunsch genüge getan wurde, das tatsächliche Anliegen eines Unternehmens, also die konkrete Erreichung von Nutzern, zum Teil nicht erfüllt wird. Durchaus kann aber ein Private Deal sinnig sein, insofern sich der Anbieter der Werbefläche im Vorfeld durch Leistung, also Performance, klassifiziert hat.
Welche Werbeflächen können eingekauft werden?
Begonnen hat es mit Werbeflächen für Display Banner, welche auf zahlreichen Websites zu finden sind, um gewissermaßen die Finanzierung der Website und ihres Content Angebotes durch Werbeschaltungen zu gewährleisten. Inzwischen sind zahlreiche weitere Mediatypen und Mediakanäle dazu gekommen. Unter anderem Bewegtbildcontent und neben Desktop und Mobile, digitale Außenwerbung (Out-of-Home), Radio/Audio und TV. Wobei letzteres noch ganz am Anfang steht und zu berücksichtigen ist, dass trotz jeglicher Art der Modernisierung des Kanals, das Mediennutzungsverhalten von Populationen dadurch nur geringfügig beeinflusst wird, was zu Deutsch heißt: Endverbraucher werden nicht wieder verstärkt Fernsehen schauen und sich vom vielfältigeren digitalen Angebot, bspw. des Smartphones, abwenden.
Welche Rollen spielen beim Einkauf eigentlich Daten?
Der Teil Daten spielt eine äußerst wichtige Rolle. Sie sind es, welche den Einkauf der Werbeflächen erst gezielt werden lassen. Sie ermöglichen die Erreichung des richtigen Nutzers am richtigen Ort zur richtigen Zeit und, je nach Ansatz, sogar im richtigen Moment, mit einer Botschaft, die zu den Interessen des Nutzers passen. Der Individualisierungsgrad der Werbebotschaft ist dabei abhängig von übergeordneter Strategie.
Das Vorgehen stellt also einen ganz klaren Gegenpol zur subjektiven, auf Annahmen basierenden (dem bekannten Bauchgefühl) Umfeldbuchung dar. Sie bieten Unternehmen jeder Art äußerst interessante Methoden die tatsächlich relevanten Endverbraucher, national und international, zu erreichen und diese mit eigenem Angebot vertraut zu machen.
An dieser Stelle startet auch die eigentliche Herausforderung oder gewissermaßen das Dilemma des Marketings. Die zeitgemäße Auseinandersetzung mit dem Objekt der Begierde: dem Kunden.
Häufig sind die Vorstellungen von der sogenannten Zielgruppe nicht zeitgemäß, sind oberflächlich angefertigt oder entsprechen schlicht und ergreifend einer fiktiven Idealvorstellung, was zur Folge hat, dass die Definition des Targetings und die Auswahl von passenden Datensegmenten, welche in Kombination mit den Werbemitteln des werbetreibenden Unternehmens nicht die gewünschte Effekte erzielen.
So ähneln aktuell (2019) Zielgruppenbeschreibungen von Personen mit einem Interesse an IT häufig der fiktiven Besetzung der Science-Fiction Serie „Stranger Things“. Sollte also diese oberflächliche Auseinandersetzung mit der Zielgruppe und das Denken in Stereotypen Basis für die spätere Auswahl von Daten sein, so werden IT Dienstleistungen, welche für einen Personenkreis der maßgeblich in der IT eines Unternehmens tätig ist, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dem Personenkreis der heranwachsenden Subkultur mit einer Vorliebe für Läden wie Urban Outfitters. Ziel verfehlt, kostbares Marketing Budget verloren.
Welche Rolle spielen andere Kanäle?
An dieser Stelle wird jetzt eine Fraktion denken, dass ihr das ja nicht passieren kann.
Sie setzt ja ausschließlich auf SEA, SEO, E-Mail-Marketing, Social Media, Display Advertising in Form von Remarketing oder GDN Kampagnen, seit neuestem, Inbound Marketing in Form von stupiden Marketing Automation Ansätzen, welche eher als gewollt, weniger als gekonnt bei Endverbraucher ankommen und somit eher schaden als nutzen.
Ein äußerst gefährliches Vorgehen, denn es ist in Summe defensiv und mit rudimentären Analyse Tools zur Erfolgsmessung nur bedingt transparent. Eine echte Gewinnung von wichtigen Neukunden findet de facto nicht statt.
Wie kann Programmatic einen Beitrag zur Neukundengewinnung leisten?
Beginnen wir weiter vorne, mit einer objektiven Auseinandersetzung mit Menschen und trennen uns gänzlich von subjektiven Meinungen in Bezug auf die Zielgruppe.
Ihre tatsächlichen Interessen und Bedürfnissen stellen wir stattdessen in den Vordergrund. Diese stellen eindeutige Merkmale dar, welche man anhand validierter Daten, zum Beispiel semantischer Daten, wiedererkennen kann.
Die Semantik eines Menschen wird durch vieles geprägt, u.a. Herkunft, Sozialisierung sowie schulischem und beruflichem Werdegang. Sie wird zudem durch mittel- und unmittelbare äußere Einflüsse kurz- und mittelfristig beeinflusst, z. B. durch Events (Sport, Politik), aber auch Themen rund um die Familie: Schwangerschaft, Geburt, Zahnen, Vorschule, etc. stellen einmalige Phasen im Leben eines Kindes dar. Effekte, welche sich deutlich erkennen und sich somit in Form von Targeting von individuellen Datensegmenten nutzen lassen.
Richtig angewendet wird eine Form von Pre-Intent Targeting ermöglicht, also die Ansprache des relevanten Endverbrauchers, deutlich bevor er mit der konkreten Suche nach einem Produkt, einem Service oder sonstiger Befriedigung eines noch nicht in Gänze konkretisierten Bedürfnisses beginnt.
Was brauchen wir für ein erfolgreiches Programmatic Advertising?
Grundsätzlich ist ein Umdenken erforderlich, das Lösen von Paradigmen, das Lösen von einer Copy/Paste Mentalität (wenn ich alles wie mein Mitbewerber mache, wie soll ich dann einen wirklichen Vorteil erlangen). Es bedarf der Entwicklung eigener Strategien, welche dazu führen, dass innerhalb des eigenen Unternehmens möglichst zielführend zusammengearbeitet wird und somit der Raum geschaffen wird, individuelle Strategien zu entwickeln. Beginnend bei einem weißen Blatt Papier.