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Fehler und Fallen im Feedback-Prozess

Customer Experience Management sollte mit der Überlegung starten, welche Zielsetzung mit dem Feedback-Prozess verfolgt werden soll.
Bernhard Keller | 16.03.2020
Fehler und Fallen im Feedback-Prozess © Pixabay / Annalise Batista
 

Bernhard Keller und Cirk Sören Ott

Das Feedback, das Kunden auf Bewertungsplattformen im Internet abgeben, wirkt sich fundamental auf den Erfolg einer Marke aus. Mangelhafte Produkte oder schlechter Service können ein Unternehmen heute schnell in den Ruin treiben. Eine Handvoll verärgerter Kunden reicht, um in den sozialen Medien einen Shitstorm auszulösen und dem Ruf einer Marke nachhaltig zu schaden. In einigen Fällen macht sich der Konsument aber gar nicht erst die Mühe, sich zu einer schlechten Erfahrung zu äußern, denn es kostet ihn nur wenige Klicks, um zum nächsten Anbieter zu gelangen.“ (Alexander Hancock 2020)

Hintergründe

Es klingt sehr einfach und wird vielfach auch so dargestellt: Software implementieren und Fragen zum Einkaufserlebnis an die Kunden schicken – und schnell werden die Fehler abgestellt. Das aber ist Minestrone von gestern. Schon in den achtziger Jahren wurden Kunden quer durch die Adressenstruktur angeschrieben und zu ihrem Eindruck von dem letzten Filial- oder Werkstattbesuch befragt. Damals hieß das noch Kundenzufriedenheit und erbrachte eher magere Ergebnisse.

Mager aus verschiedenen Gründen: Der Rücklauf war eher gering, 10% bis 15% waren ohne Incentivierung schon viel. Der inhaltliche Ertrag ebenso, denn meistens war seit dem letzten Besuch schon einige Zeit verstrichen, so dass eher die oftmals wenig ausgeprägte Erinnerung wiedergegeben wurde. Und in der Regel wurde eine Stichprobe aus dem gesamten Kundenstamm oder eine grob definierten Zielgruppe (bspw. 65+ Jahre, höhere Einkommen, Kreditkartennutzer) angeschrieben und wie in einer Gemüsesuppe waren dann Gelegenheits- und Vielnutzer, Early Adopter und Nesthocker, Begüterte und Sparsame (und beides) in den Ergebnissen vertreten.

Ist das heute anders? Die schiere Zahl an beantworteten Fragen scheint keine Rolle mehr zu spielen, denn kontinuierlich werden Kunden, Besucher und Nutzer kontaktiert. Doch denken Sie an die letzten Feedbackfragen: Wie sieht es mit der Bewertungsfähigkeit aus? Bei manchen Online-Shops liegt die Feedback-Anfrage früher im (E-Mail-)Postfach als der bestellte Gegenstand im Briefkasten. Gefragt wird nicht nach dem Bestellvorgang (der, weil abgeschlossen, ja beurteilt werden kann), sondern nach dem (noch nicht eingetroffenen) Produkt. Und wenn dieses nicht gleich nach Erhalt benutzt wird, gerät die Feedback-Anfrage aus dem Blickfeld – im wahrsten Sinne des Wortes – oder scrollen Sie täglich durch Ihren E-Mailbestand, um alte Feedbackanfragen zu finden?

Fehler und Problematik

Problematisch wird es, wenn zum Beispiel vor dem Hintergrund einer Urlaubsrundreise eine ganze Reihe von Dienstleistern unabhängig voneinander den Kunden kontaktieren. Dann kreuzen sich die Fragen von Fluggesellschaft, Portalbetreiber, Hotel(s) und Autovermietung. Die Fragebögen landen per E-Mail einige Tage nach der Nutzung des Dienstleisters im Postfach, da ist der Reisende vielleicht schon 800 Kilometer und tausend Urlaubseindrücke weiter. Und wenn der Reisende alle zwei Tage den Standort wechselt, dann stauen sich die Feedbackbitten im Postfach.

Ist der Angeschriebene so freundlich, die ersten Fragen zu beantworten, fächern immer weitere auf, das Programm soll ja den Gast fragentechnisch so weit wie möglich ausschöpfen. Dann reichen die Fragen von der Hotelauswahl über den Buchungsprozess und den Aufenthalt bis zum möglichen Wiederkommen. Der Gast gibt irgendwann erschöpft auf – wenn er nicht schon bei der ersten sogenannten Pflichtfrage den Fragebogen schließt. Eine Pflichtfrage ist oft mit einem * gekennzeichnet und ohne Beantwortung kann die nächste Frage nicht aufgerufen werden.

Eine solche Vorgehensweise macht unseres Erachtens prinzipiell keinen Sinn, denn warum auch soll sich der kontaktierte Kunde zu einer Antwort zwingen lassen? Wo bleibt die Augenhöhe zwischen König Kunde und Dienstleister? Ist es den Absendern egal, wie die realiter vielleicht nicht mögliche Antwort als konstruierte ausfällt? Fällt niemandem der Widerspruch auf, Kundenerlebnisse als Highlight gestalten zu wollen und das Kundenerlebnis Fragebogenbeantwortung nicht als partnergleiche Wertschätzung zu begreifen? Im Gegensatz zum vielbeschworenen Kunden als König im digitalen Zeitalter ist er immer noch der Zahlenknecht – der unbezahlte Produzent zwangsrekrutierter Daten zu einem Kundenkontakt. Der Motivationsknochen, den die Feedbackorganisatoren als Belohnung bereithalten, zielt darauf ab, die befragten Kunden glauben zu lassen, dass sich an den möglichen Zuständen im Unternehmen (Shop, Airline, Hotel) etwas zum Positiven ändert oder das als positiv Erlebte auch so Bestand hat.


Ist das so? Helfen die Bewertungen auf den Portalen wirklich – sind sie so zielgruppengenau, dass ich als Zielgruppenmitglied damit etwas anfangen kann? Wenn ich als Reisender Hotelbewertungen analysiere, sehe ich nicht, zu welcher Reisezeit die Gäste unterwegs waren. Sind die Älteren gerade in der Hauptreisezeit unterwegs und erleben nur das Gewusel der Kinder im Strandhotel? Ist die paradiesische Ruhe immer gegeben oder der äußersten Nebensaison geschuldet? Ist das Essen grandios, weil es zuhause nur Pellkartoffeln gibt – oder ist es schlecht, weil im eigenen Schloss jeden Morgen Stör auf silbernem Tablett serviert wird? Was bedeutet die Bewertung, das Hotel hat meine Erwartungen übertroffen, wenn ich keine hatte – und umgekehrt, wenn ich die Sauberkeit lobe, bedeutet das, das die von mir besuchten Hotels sonst alle heruntergekommene Bruchbuden sind? Sagen Sie nicht, dass diese Ungenauigkeiten eher ein Auswertungsproblem sind. Es fehlen die Vorfragen zu einer solchen Darstellung – aber solche machen den Fragebogen noch umfangreicher.


Zuweilen fehlt der konkrete Bezug oder zumindest der Kontext, in dem der Inhalt einer Frage eingeordnet werden kann. Eine große deutsche Bahngesellschaft hat in einer ihrer Umfragen auch wissen wollen: „Wie zufrieden waren Sie mit Ihrem Erlebnis im Nahverkehrszug?“ Es wurde in den vorhergehenden Fragen weder ein Erlebnis abgefragt noch eines dargestellt. Es handelte sich um eine Fahrt spät am Abend, hatte der Befragte da eine Vorstellung verpasst?


Nach einem Flug wurde gefragt, wie die „Sauberkeit der Kabine bei Abflug“ und der „Zustand der Kabineneinrichtung“ bewerten wird. Wissen Sie, was Sie beim Abflug machen? Sich in Ihrem Sitz sortieren, die Nachbarn begutachten und das Abheben des Flugzeugs genießen? Die Kabine ist mindestens 30 Sitze lang und egal wo man sitzt, die Reihen hinter einem nimmt man nicht wahr und von den Reihen davor vielleicht die nächsten zwei. Beim Durchgang zu Ihrem Platz konzentrieren Sie sich intensiv darauf, keinen schon sitzenden Passagier mit dem Handgepäck zu treffen und keinen vor Ihnen laufenden und abrupt haltenden Passagier umzustoßen. Wer hat da ein Auge auf die restliche Kabineneinrichtung? Was der Fluggast beurteilen kann ist die Sauberkeit der Kabine beim Verlassen – und da sieht es oft so aus, wie in Tierschutzfilmen über überbelegte Ställe berichtet wird. Da kann aber das Kabinenpersonal nichts dafür. Sehr gut beurteilen kann man die Sauberkeit an und um den eigenen Sitzplatz – aber das wurde nicht gefragt.


Wir haben uns schon oft überlegt, ob CX-Manager, Feedback-Verantwortliche oder auch nur für Betriebsprozessoptimierungen zuständige Personen jemals den eigenen Fragenbogen als Betroffene beantworten oder deutlich verstehen, was ein Gast eigentlich beurteilen soll. Oder umgekehrt gefragt: Was machen die Verantwortlichen eigentlich mit den Antworten?

Key Learnings

  • Customer Experience Management sollte mit der Überlegung starten, welche Zielsetzung mit dem Feedback-Prozess verfolgt werden soll:
    a) Kundenkommunikation nach einem Kontakt, nach dem Motto: Auch wir kümmern uns um unsere Kunden
    b)
    oder Betriebsprozessoptimierung
    c) oder Erlebnisoptimierung? In diesem Fall müsste auch eruiert werden, welche Punkte ein Wettbewerber besser erfüllt, oder welche Augenmerke bzw. Services dem Gast gefehlt haben oder ihm das Gefühl gegeben hätten, beim gegebenen Anbieter am besten betreut zu werden.
  • Die eingesetzten Fragen sollten präzise, eindeutig in Formulierung und Inhalt und auf die Erinnerungsfähigkeit hin konzipiert sein.
  • Nicht jeder Kunde muss zu jeder Produktnutzung oder Aufenthalt detailliert befragt werden. Bei der Masse an Feedbackrückläufern reichen Mosaiksteine, die über Data Mining gut miteinander verbunden werden können. So reichen wenige Fragen, um ein genaues Bild zu erstellen.
  • Wenn Sie voreingestellte Feedbackfragen eines Plattformanbieters nutzen: Denken Sie selbst über die Fragenkonstruktion und ihre Wirkung auf die angeschriebenen Personen nach. Denn Sie sind für Ihre Kunden der Absender.
  • Streichen Sie Pflichtfragen: Sie sind ein Zeichen von Respektlosigkeit gegenüber dem Willen des Befragten, auszudrücken, was er/sie zu verstehen geben möchte. *-Fragen konterkarieren die hervorgehobene Wertschätzung und sind damit kontraproduktiv.

 

Literatur

Hancock, Alexander (2020): Entitled Customer: Der Konsument im digitalen Zeitalter, https://plus.marketing-boerse.de/fachartikel/details/2008-entitled-customer-der-konsument-im-digitalen-zeitalter/164441

Keller, Bernhard (2017): Die 7 größten Fehler im Feedback-Prozess, https://www.email-marketing-forum.de/fachartikel/details/1750-die-7-groessten-fehler-im-feedback-prozess/142450

Keller, Bernhard & Sören C. Ott (Hrsg, 2020): Touchpoint Culture. Alle Bereiche des Unternehmens konsequent auf den Kunden ausrichten, Freiburg (Haufe)

Mergener, Alexandra & Jean Philippe Décieux (2018): Die “Kunst” des Fragenstellens, in: Keller, B.; Klein, H.-W.; Wirth, Thomas (Hrsg.): Qualität und Data Science in der Marktforschung, Wiesbaden (SpringerGabler)

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Bernhard Keller ist enthusiastischer Marktforscher mit über 30 Jahren Erfahrung.