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Wie KI die Shopper begeistern kann

Wie Unternehmen eine besonders gute, KI-basierte User-Ansprache gelingt und was braucht KI, um für Shopbetreiber sinnvoll zu sein.
Felix Schirl | 02.09.2020
Wie KI die Shopper begeistern kann © Pixabay / Gerd Altmann
 

Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen beeinflussen schon jetzt etliche Erlebnisse beim Surfen im Web. Viele Vorteile, die wir durch den Einsatz von KI erlangen, sind den Nutzern wahrscheinlich gar nicht bewusst. Und genau da liegt die Krux: Denn die Deutschen stehen dem Einsatz von KI grundsätzlich eher kritisch gegenüber. Dass sie aber tagtäglich davon profitieren, wissen viele nicht. Felix Schirl, Geschäftsführer des Technologieunternehmens trbo, räumt mit Mythen zu KI in der Praxis auf.


Im September 2019 führte Dalia Research eine repräsentative Studie für das Max Planck Institut durch, in der die Meinung der Deutschen zum Thema Künstliche Intelligenz und Machine Learning abgefragt wurde. Die gute Nachricht: 86 Prozent der Befragten gaben an, zu wissen, was KI ist [1]. Aber ist dem wirklich so? Daran nähren sich die Zweifel, wenn man den weiteren Verlauf der Antworten ansieht. Nur 43 Prozent wissen, dass Video-Streaming Anbieter KI nutzen, und 55 Prozent wissen um den Einsatz von KI bei Produktempfehlungen, um ihnen die passenden Inhalte vorzuschlagen [2].



Schadet Künstliche Intelligenz und sollte man Angst vor ihr haben?

Dieses Unwissen geht oft mit einer Abneigung gegenüber künstlicher Intelligenz und ihrem Einsatz einher. Auch die FOM Hochschule hat 2019 insgesamt 20.000 Menschen in Deutschland zu ihrer Einstellung gegenüber KI befragt. 54 Prozent von ihnen haben Sicherheitsbedenken, wenn es um KI geht und 29 Prozent haben sogar Angst vor ihr [3]
Und immer wieder liest man Artikel, in denen KI kritisch betrachtet wird. Zum Teil berechtigt, denn es gibt Situationen und Kontexte, in denen KI schlechte oder sogar schädliche Ergebnisse produziert. Man denke beispielsweise an Microsofts Tay. Dabei handelte es sich um einen Chatbot, basierend auf künstlicher Intelligenz, der mit den Nutzern auf Twitter interagieren sollte. Der Ansatz war gut gedacht: Durch viele Interaktionen sollte Tay (eine Maschine) lernen. Aber Tay lernte vor allem eines: Rassismus und Sexismus. Das Experiment musste entsprechend schnell abgebrochen werden. Tay ist also ein Negativbeispiel für künstliche Intelligenz – was sich mit besserer Vorbereitung und klaren Grenzen aber hätte verhindern lassen können.


Künstliche Intelligenz als per se schlecht und schädlich abzutun, ginge zu weit. Schließlich sind KI und maschinelles Lernen wichtige Voraussetzungen für Bequemlichkeiten und Erleichterungen, die wir in unserem Alltag haben. So zum Beispiel Personalisierung: Sie funktioniert ohne den Einsatz von maschinellem Lernen nur sehr rudimentär – oder ist mit einem immensen Ressourcenaufwand verbunden. Die Mehrheit der Befragten der Dalia-Studie stimmte Personalisierung in Entertainment (77%), Shopping (78%) und Suchergebnissen (63%) zu. Hier entsteht allerdings eine vermeintliche Diskrepanz – denn die Menschen sind KI gegenüber skeptisch, nutzen KI-basierte Erleichterungen aber tagtäglich und zwar gerne.



Ist KI ein Datenfresser und sollte man möglichst keine Daten preisgeben?

Auch das allseits umstrittene Datenthema wird von Meinungen zu künstlicher Intelligenz befeuert. Hier schlägt sich ebenfalls eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch an das Surf- und Shoppingerlebnis im Internet und die Datengrundlage, auf der diese Annehmlichkeiten basieren, nieder. So sind 82 Prozent der Verbraucher besorgt über den Schutz ihrer Daten, aber wenige tun aktiv etwas, indem sie Datenschutzeinstellungen in ihrem Browser (47%) oder auf Facebook (45%) anpassen. 20 Prozent nutzen keinerlei Möglichkeiten der Anpassung [4].

Genauso lieben Verbraucher Streamingportale wie Netflix und Co oder shoppen gerne bei Amazon. Denn hier werden ihnen die Inhalte empfohlen, die sie interessieren und nach passenden Produkten muss nicht lange gesucht werden. Schließlich werden schon auf der Startseite die passenden Empfehlungen angezeigt, sobald der Nutzer sich einloggt. Dass selbstlernende Algorithmen einen Großteil der Basis ausmachen, wissen nur die wenigsten. Die Nutzung dieser zusätzlichen Services ist für sie selbstverständlich. Dass es dafür genug Daten braucht, die meist von Maschinen verarbeitet werden (müssen), allerdings nicht.

Es gibt also vor allem Aufklärungsbedarf. Technologieunternehmen und Online-Shops müssen die Verbraucher besser informieren, welche Vorteile die Nutzung ihrer Daten in Verbindung mit künstlicher Intelligenz bringt. Wenn Amazon oder Netflix ihre User darauf hinweisen würden, welche Features erst durch KI und Daten ermöglicht werden, könnte man ihnen generell die Angst nehmen. Viele Shop- und Website-Betreiber gehen diesen Weg schon zum Teil. Auf manchen Seiten werden Usern, die der Nutzung von Cookies und Tracking-Technologien noch nicht zugestimmt haben, Schranken angezeigt, wo solche Systeme im Einsatz sind. Akzeptieren sie die Nutzung, sehen sie alle auf sie zugeschnittenen Inhalte und zusätzlichen Services. Auch Erfindungen, die uns allen das Leben und auch das Shoppen erleichtern, wären ohne intelligente Algorithmen kaum denkbar. Schließlich funktionieren Amazons Alexa, Apples Siri und andere smarte Assistenten vor allem dank künstlicher Intelligenz. Genauso verhält es sich mit Chatbots auf Websites, die eine alternative zum Kundenservice bieten.

 

Dieser Artikel soll kein uneingeschränktes Loblied auf die künstliche Intelligenz sein, sondern ihren ganz praktischen und alltäglichen Nutzen aufzeigen. Dazu gehört auch zu zeigen, dass Algorithmen bereits jetzt stark in unseren Alltag eingebunden sind – und dass dies nicht immer gleich die Weltherrschaft der Maschinen heraufbeschwört.




Bedeutet KI die ultimative Macht der Maschinen?

59 Prozent der Befragten der FOM-Studie sorgen sich vor Fremdsteuerung durch Maschinen, wenn KI im Einsatz ist [5]. Oft wird künstliche Intelligenz mit der dystopischen Horrorvorstellung aus verschiedenen Filmen gleichgesetzt. So kommt vielen beim Gedanken an Machine Learning schnell Skynet aus den Terminator-Filmen in den Sinn. Die künstliche Intelligenz, die plötzlich eine Eigenwahrnehmung entwickelt und die Menschheit vernichtet. Bis dahin ist es aber – glücklicherweise – noch ein langer Weg. Und in ihrem tagtäglichen Einsatz nützt künstliche Intelligenz gerade beim Online-Shopping viel mehr, als sie schadet. Zumindest, wenn sie gut aufgesetzt und “gefüttert” wird.
Denn besonders beim Shoppen hilft der Einsatz von maschinellem Lernen, um den Nutzern ihren Einkauf zu vereinfachen. Denn bei Online-Shops verhält es sich wie bei Netflix und Amazon: Um ein wirklich persönlich zugeschnittenes Einkaufserlebnis zu ermöglichen, brauchen sie Daten und deren Verarbeitung durch intelligente Algorithmen. Erst dann sind viele verschiedene Anpassungen möglich.




Wie verbessert künstliche Intelligenz das Shopping- und Surferlebnis?

So zum Beispiel dynamische, auf die Interessen des Nutzers angepasste Websites und Online-Shops. Dies beginnt schon auf der Startseite. Über eine dynamische Segmentierung können sehr einfach Bild-Slider oder Teaserflächen ausgetauscht werden, so dass sie zum jeweiligen Nutzer passen. Beispielsweise in einem Fashion-Shop. Die generische Startseite bildet hier meist alle vorhandenen Kategorien und Angebote ab (Herrenmode, Damenmode, ggf. Kindermode). Bewegt sich der Nutzer etwas länger auf der Seite, lernt das System, welche Interessen er hat. So wird er dann zum Beispiel dynamisch in das Segment “Herrenmode-interessiert” eingeordnet. Bei der Rückkehr auf die Startseite sieht diese nun anders aus: Die Damen-spezifischen Angebote rücken aus dem sichtbaren Bereich und werden durch verschiedene Teaser und Inhalte aus der Kategorie Herrenmode ersetzt.


Solche Anpassungen helfen nicht nur im E-Commerce. Auch Online-Medien (z.B. Tageszeitungen oder Blogs) profitieren von personalisierten Inhalten. Die Anpassung funktioniert hier auf Basis der Lese-Interessen. Ein Nutzer, der sich für Sport-News interessiert, sieht mehr Artikel aus diesem Ressort auf der Startseite. Aber auch beim weiteren Surfen auf der Plattform helfen Algorithmen dabei, die Nutzer auf der Seite zu halten, indem ihnen weitere Artikel angeboten werden, die ihren Interessen entsprechen. Mit jedem Besuch lernen die Websites so mehr über ihre Nutzer und können sich noch besser an sie anpassen.


Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet von intelligenten Algorithmen: Produktempfehlungen (Recommendations). Denn auch sie gehören zu einer guten Beratung und einem angenehmen Einkaufserlebnis im Webshop dazu. Natürlich gibt es die Möglichkeit, auch einfache Empfehlungen (z.B. Topseller) auszuspielen. Aber eine Algorithmus-basierte Recommendation Engine geht einen Schritt weiter und zeigt den Nutzern genau die Produkte, die zu ihnen und ihrer Customer Journey passen. Sie bezieht das User-Verhalten, die Interessen und bisherigen Berührungspunkte mit der Website mit ein und berechnet die passenden Produktempfehlungen.




Was braucht KI, um für Shopbetreiber sinnvoll zu sein?

Eine schlechte Datengrundlage führt zu schlechten Ergebnissen, egal, wie viel Machine Learning und KI man einsetzt. Denn intelligente Algorithmen können nur intelligent arbeiten, wenn sie mit der richtigen Datenbasis gefüttert werden. Diese muss sauber und vor allem einheitlich sein. Wenn Shopbetreiber die Daten über alle Touchpoints hinweg sammeln und schließlich in einem System ohne Datensilos zusammenführen, gelingt eine besonders gute, KI-basierte User-Ansprache.

 

Quellen

[1] Dalia Research, 2019. https://pure.mpg.de/rest/items/item_3188061_4/component/file_3195148/content
[2] Dalia Research, 2019.
[3] FOM Hochschule, 2019. https://www.fom.de/2019/september/kuenstliche-intelligenz-ein-volk-zwischen-hoffnung-angst-und-zuversicht.html
[4] Dalia Research, 2019.
[5] FOM Hochschule, 2019.

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Felix Schirl ist Gründer und CEO der trbo GmbH. Das Münchner Unternehmen hat sich auf KI-gestützte, dynamische Onsite-Personalisierung spezialisiert.