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Marketing und Vertrieb – kommt zusammen, was zusammengehört?

Eine enge Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb ist entscheidend für das Leadmanagement von Unternehmen. Diese Schritte sind dafür notwendig.
Norbert Schuster | 14.11.2022
Marketing und Vertrieb – kommt zusammen, was zusammengehört? © Freepik / oatawa
 

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, eine Personalabteilung mit der Buchhaltung zu verschmelzen? Oder die Produktion mit der IT? Warum auch, die beiden Fachbereiche haben zwar ab und zu mal Berührungspunkte, aber ansonsten gibt es keinen sinnvollen Grund dafür, die Bereiche zusammenzulegen. Und selbst, wenn das erfolgreich funktionieren würde, wäre der Mehrwert sehr überschaubar. Auch hört man nur selten Beschwerden von der einen Abteilung über die andere. Ok, die IT-Abteilung kommt selten gut weg, aber das ist eine andere Geschichte. Ganz anders ist das aber mit zwei „Königskindern“, die speziell im Kontext der digitalen Transformation und des Leadmanagements sehr eng zusammenarbeiten sollten und doch nicht wirklich zusammenfinden. Sie leben in zwei verschiedenen „Königreichen“, in zwei entfernten Ländern, manche sagen sogar in weit voneinander entfernten Galaxien.

Die engere Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb ist entscheidend für das Leadmanagement von Unternehmen, die weiterhin erfolgreich sein und vielleicht sogar wachsen möchten. Für viele Unternehmen war es lange Zeit unerheblich, dass jeder der Bereiche „sein eigenes Ding“ gemacht hat. Sie hatten unterschiedliche Perspektiven, Ziele und Motivatoren. Die gute Vorarbeit in der Vergangenheit, die ausgezeichneten Produkte und generell die Firmenhistorie haben aber ausgereicht, um viele Jahre die Marktführerschaft zu halten und ausreichend Umsatz zu generieren. Da fiel die nicht ganz so optimale Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb im Leadmanagement nicht so drastisch zu Buche. Mit den Änderungen in den Marktstrukturen und dem neuen Kundenverhalten hat sich das aber signifikant verändert. Potenzielle Kunden suchen, entscheiden und kaufen heute anders als früher. Was hat sich im Detail verändert?

  • Der Wettbewerb ist nur einen Mausklick entfernt.
  • Kunden erwarten Präsenz von Anbietern in Form von relevanten Content-Bausteinen an relevanten Touchpoints.

Darauf müssen sich Unternehmen einstellen. Ein Mindset von „Das haben wir doch schon immer so gemacht“ und „Neue Kunden melden sich schon, wenn sie etwas benötigen“ führt heute nicht mehr zum Erfolg. Und das Verbleiben von zwei Fachbereichen in ihren Silos, die einen direkten Einfluss auf (potenzielle) Kunden haben, ist nicht mehr zeitgemäß und zielführend. Im Gegenteil, es kann das Wachstum und die Existenz von Unternehmen bedrohen, wenn die beiden Bereiche aneinander vorbei agieren. Viele klassische Aufgaben und Aktivitäten haben nach wie vor ihre Berechtigung. So muss sich ein Teil des Marketings weiterhin beispielsweise um die Marke, die Positionierung und die Kommunikation kümmern. Trotz Digitalisierung und Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz begleitet der B2B-Vertrieb Interessenten und Kunden persönlich bis zum (erneuten) Abschluss.

Was muss sich aber verändern?

Die Digitalisierung hat nicht nur das Kaufverhalten verändert und Risiken durch Marktbegleiter in „Klickweite“ mit sich gebracht. Sie bietet Unternehmen auch ganz viele Möglichkeiten und Vorteile, die es gilt zu nutzen. Und am besten nutzt man diese mit einem abgestimmten und eingespielten Team. Keine Fußballmannschaft käme auf die Idee, ein Team für die Abwehr und das Mittelfeld und ein gesondertes Team für den Angriff ins Spiel zu schicken. Vergleicht man den Sturm eines Fußballteams mit dem Vertrieb und das Mittelfeld mit dem Marketing wird das Bild klarer. Natürlich kann der Sturm jeden Ball vom eigenen Tor holen und bis zum gegnerischen Tor tragen. Das ist aber mühsam, anstrengend und wird jeden noch so ausdauernden Sturm überfordern. Hier kommt das Mittelfeld zum Tragen. Es bereitet den Spielzug vor und flankt die Bälle, um den Sturm optimal ins Spiel zu bringen. Natürlich muss der Sturm das „Runde“ immer noch erfolgreich in das „Eckige“ bringen, aber mit guten Vorlagen gelingt das einfacher, effizienter und erfolgreicher.

Lösungsansatz – bringen wir die Königskinder zusammen

Bleiben wir bei dem Bild einer Fußballmannschaft und übertragen das auf das Marketing und den Vertrieb, ergibt sich eine neue Perspektive. Wie wäre es, wenn Marketing und Vertrieb Teams bilden und gemeinsam in interdisziplinären „Goal Forces“ am Leadmanagement des Unternehmens wirken?

Eine Roadmap für die weiteren Schritte finden Sie hier:

Kick-off/Bestandsaufnahme

Zum Einstieg in die „Goal Force“ und „warm werden“ empfehle ich Gemeinsamkeiten zu suchen. Gemeinsame „Nenner“ wie Lieblingshelden, Lieblingsfilme oder Leibspeisen unterstützen die Zusammenarbeit auch auf fachlicher Ebene. Teil des Kick-offs ist es auch, die Vorgehensweise und Methoden vorzustellen. Liegt der Fokus auf der Leadgenerierung und Neukundengewinnung, müssen die Daten „sauber“ erfasst und konsistent gehalten werden.

In der Kick-off-Phase ist es auch sinnvoll, die „Rules of Engagement“ zu definieren:

  • Wie kommunizieren wir?
  • Wie gehen wir mit Krisen und Konflikten um?
  • In welchen Abständen stimmen wir uns wie ab?
  • Wie kommunizieren wir mit den Kollegen und Führungskräften außerhalb des Teams?

Wunschkundenprofilierung/Buyer-Persona-Profile

Detaillierte Wunschkundenprofile (Deep-Buyer-Persona-Profils) sind wertvolle „Wegweiser“ für das Leadmanagement. Um diesen Zweck zu erfüllen, müssen sie aber deutlich über die oft anzutreffenden „Bull Shit Bingo Persona Profile“ hinausgehen. Um aussagekräftige Profile zu erstellen, ist das Wissen, die Erfahrung und die Kundennähe des Vertriebs unerlässlich. Er steuert die notwendigen Informationen bei, um das Marketing optimal in die Lage zu versetzen, die passende Ansprache, den relevanten Content und die passenden Prozesse zu entwickeln.

Content/Touchpoints

Nach der allgemeinen Bestandsaufnahme der vorhandenen Content-Bausteine und Touchpoints in der Kick-off-Phase prüft die Goal Force nach der Buyer-Persona-Profilierung den Content und die Touchpoints auf die Nutzungsmöglichkeit für die definierten Buyer Personae. Der Vertrieb steuert die Themen und Interessen der potenziellen Neukunden bei. Die Erstellung des Contents und die Optimierung der Touchpoints ist die Aufgabe der Teammitglieder aus dem Marketingbereich.

Customer Journey

Im Rahmen der Customer-Journey-Analyse wird die Kaufreise der Buyer Persona gemeinsam in der Goal Force analysiert. Dabei gilt es nicht, „schöne Bilder“ zu zeichnen, sondern eine Analyse durchzuführen, die als Vorstufe von Nurturing-Prozessen genutzt werden kann. Basis dafür sind die Stufen im Kaufprozess. Diese Analyse kann nur gemeinsam mit Marketing und Vertrieb durchgeführt werden und bildet die Grundlage für automatisierte Prozesse (Nurturing) und persönliche Gespräche und Aktivitäten im Vertrieb.

Nurturing-Prozesse

Die Informationen und Ideen aus der Customer-Journey-Analyse konkretisieren Marketing und Vertrieb in Nurturing-Prozessen, die Leads und Bestandskunden bis zur (erneuten) Vertriebsreife entwickeln. Gerade hier ist das Zusammenwirken von Marketing und Vertrieb essenziell. Der Vertrieb kennt die Kaufreise der (potenziellen) Kunden in der PreSales-Phase, kann mögliche Weichen im Prozess abbilden und definieren, welche Daten im Prozess abgefragt werden sollen (#ProgressiveProfiling). Das Marketing bringt das Wissen um Content-Bausteine, Touchpoints und Ansprache ein.

Lead Routing

Das Lead Routing ist ein besonders spannender Aspekt für die Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing. Denn hier geht es um die Übergabe von Leads vom Marketing/der PreSales-Automation an den Vertrieb/das CRM-System. Übergeben werden MQLs, also Marketing qualified Leads. Die Kriterien für das Stadium MQL haben Marketing und Vertrieb in den Schritten Buyer-Persona-Profilierung, Customer-Journey-Analyse und Nurturing-Prozess definiert.

Bei der Übergabe kommen jetzt andere Perspektiven zum Tragen:

  • Wer bekommt welche Leads?
  • Der Prozess – Wo werden die Leads angelegt und wie wird der Vertrieb informiert?
  • Wie gestaltet sich das Lead Routing technisch?

Leads im Vertrieb

Wurden Leads in Nurturing-Prozessen bis zur Vertriebsreife entwickelt, werden diese an den Vertrieb übergeben. Ein Vorteil des Goal-Force-Prinzips ist es, dass zumindest Teile des Vertriebs bei der Entwicklung und Konzeption der Ansprache, Content-Bausteine und Prozesse dabei waren und, basierend darauf, die persönliche Betreuung der Leads optimal gestalten kann. Der Vertrieb kann seine Ansprache, Nutzenargumentation, Präsentation und Angebot optimal auf den Lead und das Buying Center ausrichten.

Metrik/KPIs

Im vorgestellten Modell erfolgt auch die Messung der entscheidenden Parameter nicht mehr in den Abteilungssilos. Prozesse können über Systeme und Teilprozesse der Kaufreise hinweg gemessen und optimiert werden. Die Metrik gibt Aufschluss darüber, wo noch Optimierungsbedarf besteht und „Löcher im Funnel“ gestopft werden können.

Plattformen und Tools

Die Mitglieder der Goal Force entscheiden gemeinsam, welche Systeme und Plattformen zur Zielerreichung beitragen. Die Hoheit über die Entscheidungen über Tools, Plattformen und Systeme sollten also nicht mehr alleine bei der IT liegen. Denn die Auswahl von erfolgsentscheidenden Systemen sollte nicht aufgrund von Farben oder Logos gefällt werden. Wichtige Kriterien wie DSGVO Konformität, Integrationsfähigkeit, Investitionssicherheit und eine moderne Technologiebasis müssen natürlich erfüllt werden, aber ansonsten gilt es, die schwerpunktmäßige Zielerreichung der Goal Forces zu unterstützen.

Umsetzung

Die Umsetzung der geplanten Aktivitäten liegt bei den Goal-Force-Teilnehmern aus dem Marketing. Unterstützung erhalten sie dabei von der Rechtsabteilung, Datenschutzbeauftragten, der IT-Abteilung und externen Dienstleistern.

Fazit:

Unternehmen müssen die „Königskinder“ zusammenbringen, um das Potenzial der Digitalisierung optimal zu aktivieren. Es tut auch gar nicht weh! Weder schmerzt es den Vertrieb, die Informationen aus dem Markt und von den Kunden mit dem Marketing zu teilen noch dem Marketing die Informationen aufzunehmen und gemeinsam mit dem Vertrieb die passenden Ansprachen, Content-Bausteine und Prozesse zu entwickeln. Ganz im Gegenteil: Der Vertrieb „kämpft“ endlich nicht immer einsam und allein und das Marketing erlebt live und in Farbe die Auswirkungen seines Wirkens im Goal-Force-Team. Die (potenziellen) Kunden freuen sich über eine bessere Customer Experience, relevante Inhalte und einfache Prozesse. Und letztendlich profitiert das Unternehmen auch von den besseren Ergebnissen, stabilen Kundenverhältnissen und Vertriebserfolgen. Es lohnt sich also auf jeden Fall, die ach so weit entfernten Galaxien zu einem Goal-Force-Universum zusammenzuführen.

Img of Norbert Schuster

Norbert Schuster ist Strategieberater für die Digitalisierung im Marketing und Vertrieb.

Kommentare

Christian Peter

„Lösungsansatz – bringen wir die Königskinder Vertrieb und Marketing zusammen.“
Klingt cool, sollten wir machen. Neben den organisatorischen Silos berühren wir aber auch Motive einzelner Menschen. Nicht jeder in Vertrieb und Marketing hat immer, nur, ausschließlich und als erstes den Kunden vor Augen. Viele hatten nie Kontakt zu einem Kunden / einer Kundin. Einige wollen gestalten, andere verwalten. Also ist für die Zusammenführung der beiden Einheiten auch die richtige Einstellung und die richtige Zusammenstellung der Teams entscheidend. Visionäre, Strategen, Umsetzer müssen an einem Strang ziehen.

Klaus-Peter Grave

Es ist aus meiner Praxiserfahrung nicht eine Frage, ob Marketing und Vertrieb zusammenkommen, es ist eine Verpflichtung. Raum für Bereichsegoismen ist nicht nur töricht, er reduziert sogar den gemeinsamen Beitrag zum Unternehmenserfolg – den doch beide vor Augen haben sollten. Das klingt jetzt nach einer „Zweckbeziehung“, wobei es doch so positiv ist: Im digitalen Marketing- und Vertriebsprozess mit der konsequenten Fokussierung auf die Leadgenerierung profitieren alle von der Zusammenarbeit. Und was entscheidend ist: Das Unternehmen wird erfolgreicher sein.