Marketing-Börse PLUS - Fachbeiträge zu Marketing und Digitalisierung
print logo

So optimieren Sie Ihr Outsourcing

Wie Preis, Qualität und Kapazität ihren Erfolg 2023 bestimmen.
Jürgen Thom | 07.12.2022
Call-Center trenden mehr und mehr © Freepik / pressfoto
 

Fast jedes zweite Outsourcing scheitert, da Entscheidungen nicht auf Basis von Daten und Fakten getroffen werden, sondern basierend auf einer Momentaufnahme, einigen Referenzanrufen oder rein aus dem Bauchgefühl heraus. Oftmals ist die Datenbasis, auf der Entscheidungen schlussendlich getroffen werden, außerordentlich gering. Dabei sind Daten aber der Schlüssel zum Erfolg. Je mehr Informationen man als Unternehmen hat, desto bessere Outsourcing-Entscheidungen kann man treffen. Das Ziel der Kunden beim Outsourcing ist es schließlich, die Kosten zu senken, die Qualität eines Services zu verbessern und Kapazitätsprobleme zu lösen. Am Ende muss jeder Provider Wert kreieren durch eine Kombination aus Preis, Qualität und Kapazität.

Call-Center trenden mehr und mehr

Wenn wir uns die aktuellen, marktgängigen Preise für onshore (Deutschland), nearshore (EU), nearshore (non EU) und offshore pro Anwesenheitsstunde bzw. Minute anschauen, beobachten wir innerhalb der letzten zwölf Monate eine starke Preissteigerung. Aktuell sehen wir eine erhöhte Nachfrage nach Call-Center-Dienstleistungen im Markt. Unter anderem spielen das verstärkte Callvolumen in der Energiebranche durch die Preisanpassungen wie auch die erschwerte Rekrutierung im deutschen Markt eine zentrale Rolle. Das Berufsbild des Call-Center-Agenten erfährt immer noch eine geringe gesellschaftliche Anerkennung und die Löhne in der Branche liegen auf Mindestlohnniveau. Die Erhöhung des Mindestlohns in diesem Jahr half zwar ein wenig, wobei die aktuelle Inflation diese wieder effektiv zunichte gemacht hat. Einige Call-Center haben die Mindestlohnerhöhung nun für eine Preisanpassung genutzt. Nach aktuellen Zahlen erhöhte sich in Deutschland der durchschnittliche Minutenpreis in diesem Jahr auf 0.79€ pro Minute, wobei es hier noch große Abweichungen zwischen den Dienstleistern gibt. Einige mittelständische Dienstleister haben die Preise auf einem geringen Preisniveau belassen. Das liegt an Gründen wie beispielsweise Angst, Kunden zu verlieren, keine Preisanpassungsklausel in bestehenden Verträgen zu haben oder dass man sich mit einem geringeren Preis einen Wettbewerbsvorteil erhofft. Ein Preis knapp an der Profitabilität geht oftmals einher mit einem gesteigerten Risiko bzgl. möglicher Zahlungsunfähigkeit des Dienstleisters bei unvorhergesehenen Problemen oder auch verspäteten Zahlungseingängen durch den Kunden.

Die Preise steigen

Der niedrigste im Markt gemessene Preis pro Minute lag 2022 bei 0.53€. Auch im Nearshore- und Offshore-Bereich konnte eine deutliche Preissteigerung festgestellt werden. Im nearshore EU-Ausland stieg der durchschnittliche Preis pro Minute von 0.39€ auf 0.43€. Dies lag auch an einer Zentralisierung. An bewährten Standorten eröffneten innerhalb kürzester Zeit weitere Contact-Center einen Standort. Schlussendlich gibt es aber nur einen regionalen Mitarbeiterpool, auf den alle Contact-Center zugreifen, so dass hier schnell ein Wettbewerb um die besten Mitarbeiter entfacht wurde. Ressourcen, speziell mit Sprach- und Schriftskills auf C1/C2-Level, sind limitiert. Höhere Löhne sind die Folge, welche an die Kunden weitergegeben werden. Und auch im europäischen Ausland macht die Energiekrise nicht halt. Die Inflation belastet die Volkswirtschaften und Branche europaweit. Neben den generellen Preisen haben sich natürlich auch die branchenspezifischen Preise wie auch akzeptierte Preismodelle der Situation angepasst. Grundsätzlich ermöglicht ein Outsourcing ins europäische Ausland eine Preisreduktion im Vergleich zu Deutschland von bis zu 38 Prozent. Dahingehend wird das Modell auch in Zukunft durchaus interessant bleiben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber die Qualitätssicherung.

Qualitätsvorteile dank Digitalisierung

Viele Unternehmen und Contact-Center haben bisher nur eine Teildigitalisierung durchgeführt und unzureichende QM-Strategien umgesetzt. In der Qualitätssicherung wird noch immer mit Excel-Tabellen gearbeitet, was eine Zusammenfassung der Ergebnisse sehr aufwändig macht. Es sind dringend Lösungen erforderlich, die das Onboarding je nach Anforderung teilweise oder vollständig digital über Video- und E-Learningkurse unterstützen - auch in Kombination mit traditionellen „Train-the-Trainer“ Lösungen. Die Vorteile liegen in einer immer gleich guten Qualität in der Einarbeitung und einer digitalen Zertifizierung der Mitarbeiter vor Projektstart, um bereits hier die Qualität bestmöglich sicherzustellen. Das klassische Qualitätsmanagement sollte vollständig digitalisiert werden. Die Bewertung von Kundenkontakten kann mit einer KI, unterstützt durch Menschen erfolgen. Sobald die Bewertung von Kontakten erfolgt ist, liegen sie den Mitarbeitern live vor und nicht erst verspätet nach Tagen oder Wochen. Ein schnelles Selbstlernen ist dadurch sichergestellt. Durch die Digitalisierung ergeben sich dann auch folgende Vorteile:

  • Rasch steigende Erstlösungsquoten
  • Sinkende Bearbeitungszeiten
  • Höhere Kundenzufriedenheit
  • Höhere Mitarbeiterzufriedenheit

Zudem wird die Frühfluktuation um rund 50 Prozent gesenkt, was einen entsprechenden Einfluss auf die vorgenannten Kennzahlen hat.

Kapazitätsproblematik bleibt bestehen

Aktuell haben wir in Deutschland 10.000 unbesetzte Stellen im Kundenservice, davon 3.000 allein im Homeoffice. Trotz hoher Antrittsprämien haben 83 Prozent der HR-Experten Schwierigkeiten bei der Rekrutierung. Die Kapazitätsproblematik ist länderübergreifend, da die Verlegung des Kundensupports an beliebte europäische Standorte das Thema verschärft hat. Was allerdings auffällt ist, dass wir aktuell zwischen großen und mittelgroßen Contact-Centern deutliche Kapazitätsunterschiede sehen. Wir untersuchten 2022, wie sich das Thema im Verhältnis zur Unternehmensgröße des Contact-Centers verhält und wer speziell betroffen ist. Interessanterweise zeigte sich, dass 34 Prozent der mittelgroßen Contact-Center (50 bis 500 Mitarbeiter) immer noch Überkapazitäten verfügbar haben, während 92 Prozent der großen Contact-Center (>500 Mitarbeiter) unter einer deutlichen Unterkapazität leiden. Sowohl für die Contact-Center mit einer Unter- als auch Überkapazität ist der Effekt gravierend, da nicht entsprechende Umsatzerlöse erzielt werden. Contact-Center erreichen bis zu 20 Prozent weniger Jahresumsatz aufgrund fehlender Möglichkeiten, flexibel auf Auftragsanpassungen zu reagieren.

Kapazität wird neben Preis und Qualität sicher eine der großen Herausforderungen für 2023 sein. Mit diesen Herausforderungen im Blick müssen wir neue Lösungskonzepte entwickeln, um erfolgreich outzusourcen. Wie sagte Aristoteles: Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.

Img of Jürgen Thom

Jürgen Thom ist Founder und Co-CEO bei Snubes.