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Datenaktivierung in Echtzeit für individuelle CX-Optimierung

Datenpunkte sammeln und Algorithmus anpassen.
Ralph Hünermann | 30.10.2023
© Fotolia / Robert-Kneschke
 

Fachbeitrag von Matthias Bettag und Dr. Ralph Hünermann

 

Eine optimierte CX ermöglicht bessere Umsätze und eine nachhaltige Kundenbindung – egal ob die Absicht ein Online-Einkauf ist oder erst einmal eine Produktrecherche oder auch nur ein einfaches Stöbern: Sofort sollen relevante Inhalte aufgezeigt werden, womit das Engagement des Nutzers geweckt wird, das schließlich zum Kauf führt.

Gartner definiert die Customer Experience [1] als „die Wahrnehmungen des Kunden/der Kundin und die damit verbundenen Gefühle, die durch die einmaligen und kumulativen Auswirkungen der Interaktionen mit den Mitarbeitern, Systemen, Kanälen oder Produkten eines Anbieters verursacht werden.“ Kurz: Das Kundenerlebnis im Kontakt mit einem Unternehmen oder Geschäft.

Zufriedene Kunden kommen häufiger wieder und sind zudem über Owned-Kanäle direkt – und günstig – ansprechbar. Um regelmäßig neue Kunden zu gewinnen, aber auch um die wachsende Anzahl an Bestandskunden zufriedenzustellen, muss ein Onlineshop jederzeit relevant sein und auf die einzelnen Nutzerinteressen individuell eingehen. Er benötigt also eine Personalisierung, die dynamisch und flexibel auf die Nutzerinteressen eingeht. Das kann pro Nutzer in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich sein.

Google hat uns allen über Jahre beigebracht, dass wir relevante Inhalte nur auf der ersten Seite finden. Auf den folgenden Seiten wird meist nur noch Irrelevantes angezeigt. Eher ändern wir die Suche, als dass wir auf den Folgeseiten suchen. Dieses Verhalten übertragen wir auch in die Onlineshops. Wir erwarten für uns relevante Inhalte auf der ersten Seite, ansonsten wechseln wir den Shop.

Im E-Commerce zählt jede Sekunde und jede Ansicht. Bei nur kurz nachlassender Aufmerksamkeit des Nutzers, zum Beispiel weil er auf den ersten Blick keine relevanten Produkte erkennt, werden sehr schnell potenzielle Käufer verloren. Besonders teuer wird das für den Shop-Betreiber, wenn Shop-Besucher beziehungsweise potenzielle Käufer über kostenpflichtige Kanäle aktiviert werden.

Herausforderungen

Zur passgenauen Personalisierung benötigt es eine legale und valide Datenbasis, deren Daten effektiv operationalisiert werden müssen. Um die CX über alle Kontaktpunkte, Englisch Touchpoints, zu erfassen (die berühmte, aber nie erreichte – und datenschutzrechtlich bedenkliche –

„360°-Perspektive“) sind umfangreiche Datensammlungen nötig, die pro Datenquelle einen expliziten Nutzer-Consent erfordern. Zudem müssten sich alle Nutzer bei jedem Besuch identifizieren, um alle Besuche, auch auf neuen Geräten oder nach gelöschten Cookies, immer einem Nutzer zuordnen zu können. Das ist nicht realistisch. Eine angebliche „360°- Perspektive“ ist also immer unvollständig.

- Abb. 1: Schematische Sicht verschiedener Touchpoints einer Customer Jorney -

Einige Lösungen, die vorgeben, „alle Touchpoints aller Kanäle“ zu personalisieren, erfassen zwar die jeweils verfügbaren Daten pro Kanal und personalisieren entsprechend. Aber es bleibt eine Personalisierung basierend auf dem Wissen aus unterschiedlichen Datensilos. Es werden eben nicht alle Daten aller Kanäle zusammengeführt und gemeinsam analysiert, um dann entsprechende Personalisierungen auszuspielen. Stattdessen ist dieses Vorgehen eher multi-parallel, aber ohne Erkenntnisgewinne aus der gesamten Datenbasis über alle Kanäle hinweg.

Bisherige Nutzer-Wiedererkennung schwindet

Auf Third Party Cookies basierende Ansätze sind insgesamt auf dem Rückzug, da Third Party Cookies meistens schon Browser-seitig geblockt werden. Sogar First Party Cookies werden oft automatisch vor dem Ablaufdatum gelöscht. In der Folge ist die Nutzer-Wiedererkennung stark reduziert mit der Konsequenz, dass wiederkehrende Nutzer oft als Neubesucher erfasst werden.

Im E-Commerce können 60 bis 80 Prozent (!) des ankommenden Traffics nicht direkt bekannten Nutzern zugeordnet werden. Ein Log- in in den jeweiligen persönlichen Accounts erfolgt oft erst während des Bezahlprozesses und damit zu spät für eine personalisierte Einkaufserfahrung. Persönliche Kundendaten, wie sie im Customer- Relationship-Management-System (CRM) erfasst werden, erscheinen in diesem Kontext wenig nützlich für eine Personalisierung des Traffics ab der ersten Impression, das heißt ab dem ersten Seitenaufruf.

Abhilfe schaffen hier die Session-Daten, was im Absatz „Personalisierung“ näher beleuchtet wird. Zunächst wird auf die Unterscheidung First- und Third-Party-Daten eingegangen:

First- und Third-Party-Daten

Viele Tools und Services im E-Commerce basierten in der Vergangenheit auf Third-Party-Daten und Third-Party-Profilen. Anbieter, deren Pixel auf vielen Webseiten implementiert waren, erstellten darüber pseudonymisierte Nutzerprofile mit den jeweiligen Produktinteressen. Informationen aus diesen Nutzerprofilen wurden dann zur Personalisierung genutzt.

Auf diese Weise konnten Customer Journeys über ganz verschiedene Webseiten von Drittparteien gemessen werden. Die gesammelten Informationen wurden genutzt, um den einzelnen Webseiten entsprechende Signale zu senden, personalisierte Angebote oder Werbung zu ermöglichen, oder auch die Höhe des Ad Biddings bei Banner- oder Suchmaschinenwerbung anzugeben. Der große Nachteil lag darin, dass weder Nutzer noch die einzelnen Webseitenbetreiber eine wirkliche Kontrolle über die erhobenen Daten und deren Einsatz hatten. In der Folge wurden solche Systeme misstrauisch betrachtet und folgerichtig durch die DSGVO neu geregelt.

Aus Sicht des E-Commerce-Betreibers lagen die Daten nicht in eigener Hand, ebenso wenig wie die Datenprozessierung, die zugrunde liegenden Analysen und die dafür genutzten Algorithmen. Die Marketing-, Werbe- und Verhaltensdaten der eigenen Kunden inklusive der E-Commerce- Daten über alle Besuche, Produktinteraktionen und Umsätze aber sind ein höchst wertvolles Gut. Aus strategischer Sicht sollte ein Unternehmen sehr gut überlegen, wie und von wem die Daten (inklusive der davon ableitbaren Metadaten) genutzt werden, und ob mit dem gewählten Partner oder Dienstleister kritische Abhängigkeiten oder gar Wettbewerbsnachteile entstehen könnten.

Aus Data-Ownership-Perspektive ist das Hosting auf fremden Plattformen oder Public Clouds ein Problem. Dies nicht nur wegen der operativen Kontrolle, sondern auch wegen der daraus resultierenden Datenschutzanforderungen.

Personalisierung: User-basiert vs. Session-basiert

Jede Personalisierungssoftware enthält eine „Decision Engine“ – also die Entscheidungseinheit –, um auf der gegebenen Datenbasis Entscheidungen zu fällen, wie sich die individuelle Personalisierung konkret ausgestaltet. Diese Datenaktivierung kann als „Rezept“ auf Basis der Nutzerdaten für die Ausspielung beim nächsten Besuch vorgehalten werden. So macht es eine Customer Data Platform (CDP).

Bei einer CDP hat die Datenaktivierung per „Rezept“ für den nächsten Besuch keine Echtzeitanforderungen und kann daher auch nachträglich eintreffende Daten berücksichtigen (zum Beispiel das Öffnen eines Newsletters). Sie reagiert aber nicht direkt auf das Nutzerverhalten in der aktuellen Session: Je nach Verhalten oder der gegebenen Datenpunkte wird ein Nutzer einem Segment zugeordnet. Pro Segment wird nach entsprechenden Regeln mit dem Ziel einer Konversion personalisiert. Dieser Ansatz bleibt auch bei automatisierten Regelwerken und komplexen Segmentdefinitionen relativ statisch: Zur Ausspielung von Personalisierungen wird eine Abfolge von Besuchen desselben Nutzers und dessen zwingende Wiedererkennung benötigt, um eine optimierte CX anzubieten.

Die Datenaktivierung kann aber auch in Echtzeit passieren, das heißt im Moment des Seitenaufrufs – dann auf Basis der Session-Daten und ohne einen Nutzer wiedererkennen zu müssen. So arbeitet eine Customer Engagement Platform (CEP) beziehungsweise eine Session-basierte Personalisierung.

Die Datenaktivierung in Echtzeit erfordert extrem schnelle Daten- banksysteme, weil die Analysen, Entscheidungen und Ausspielungen ohne merkliche Verzögerung in der laufenden Session passieren müssen. Der ganze Ausspielungsprozess darf nur wenige Millisekunden dauern, wenn eine gute CX geboten werden soll. Wenn also ein Nutzer die Kategorie wechselt oder Produkte einer bestimmten Größe oder Farbe auswählt oder andere Interaktionen tätigt, muss ein Echtzeitsystem sofort darauf reagieren – nicht nur als Filter, der das angezeigte Angebot eingrenzt, sondern auch bezüglich der individuellen Relevanz der angezeigten Produkte oder Elemente: Nutzer, die den gleichen Produktfilter verwenden, sind nicht unbedingt vom selben Typ. Referrer, Gerätetyp, Geolocation und viele weitere anonyme Datenpunkte können signifikante Unterschiede machen. Eine Echtzeitpersonalisierung muss diese Aspekte berücksichtigen und darf nicht nur produktzentrisch agieren (das ist beispielsweise der Fall, wenn gefilterte Listen für alle Nutzer gleich aussehen) oder ein Regelwerk haben, das auf Basis nur eines Datenpunktes zwischen zwei Varianten einer Ansicht entscheidet (zum Beispiel Neubesucher vs. Wiederkehrer).

Was ist Relevanz?

Es stellt sich angesichts des mehrheitlich unbekannten Traffics also die Frage, wie man auch ohne Kenntnis der Person trotzdem für jeden User individuelle und vor allem relevante Inhalte anbieten kann. Personalisierung basiert auf individuell relevanten Datenpunkten. Oft denkt man dabei nur an Personendaten wie Name, Adresse, Kaufhistorie, Demografie und so weiter, wie sie auch in einem CRM-System erfasst werden. Diese Daten aber sind für den unbekannten Traffic nicht anwendbar.

- Abb. 2: Abbildung einer Korrelationsanalyse im Aster-Chart zum Kaufverhalten. Es zeigt, wie sich die verschiedenen Nutzerattribute auf die gekauften Produkte auswirken. Je höher der Wert, desto differenzierender sind die einzelnen Ausprägungen eines bestimmten Nutzerattributs: Zum Beispiel kaufen Nutzer, die über verschiedene Marketingkanäle kommen, signifikant unterschiedliche Produkte -

Es gibt aber auch bei unbekannten Besuchern viele nutzbare

  • unpersönliche (Meta-)Daten wie die Zeit, der Ort, der Gerätetyp, das Betriebssystem, der Referrer und viele mehr sowie
  • das Nutzerverhalten in der laufenden Session mit Informationen über Ansichten, Klicks, Bestellungen, Werbeeinspielungen et cetera.

Die Kombination dieser vielen unpersönlichen Datenpunkte erlaubt ebenfalls eine Personalisierung und das sogar ab sofort und noch vor einer Nutzerwiedererkennung.

Eine solche Session-basierte Personalisierung lässt sich viel leichter mit Daten aus anderen Kanälen verbinden. Es muss keine Visitor-Journey über einen bestimmten Zeitraum und über verschiedene Datenquellen hinweg ermittelt werden, sondern es werden alle Interaktionen aus allen Datenquellen gemeinsam betrachtet. Daraus ergeben sich detaillierte Erkenntnisse, zum Beispiel, welche Produkte zu welchen Zeiten angeschaut und gekauft wurden oder welche Präferenzen Apple Mobile User gegenüber Android Usern haben oder welche die beliebtesten Produkte sind abhängig vom Gerätetyp, Browser und so weiter.

Die Session-basierte Personalisierung kann gegenüber unbekannten Nutzern nicht „Hallo Frau Müller“ ausspielen, sie kann aber individuell relevante Produkte für User wie Frau Müller ausspielen. Und sie kann in Echtzeit mit jedem Klick während einer laufenden Session „dazulernen“ und entsprechend schärfer, das heißt relevanter, personalisieren. Sie muss also nicht erst bis zum nächsten Besuch warten, sofern dieser denn stattfindet.

Am Beispiel von Produktempfehlungen (Englisch product recommendations) kann Relevanz gut erklärt werden. Heutzutage hört man häufig von sinkenden Konversionsraten beim Einsatz einer typischen Recommendation Engine. Zu beachten ist der qualitative Unterschied zwischen den beiden folgenden Aussagen:

1. „Kunden, die Produkt X gekauft haben, haben auch Y und Z “

2. „Kunden wie Du, die Produkt X gekauft haben, haben auch Y und Z “

Aussage 1 ist eine rein produktzentrische Empfehlung über alle Kunden hinweg. „Kunden wie Du“ dagegen (Aussage 2) ist eine persönlich ungleich viel relevantere Aussage (und zeigt auch andere Produkte an), weil die „Kunden wie Du“ ein viel passenderes, also relevanteres, Segment sind: Ein Segment, das nicht vordefiniert ist, sondern in Echtzeit und auf Basis der Datenpunkte des aktuellen Users und im Vergleich mit der gegebenen Datenhistorie dynamisch gebildet wird.

Es gibt einerseits die User-basierte Personalisierung, bei der Personen- daten genutzt werden und eine mindestens pseudonymisierte Nutzerwiedererkennung über verschiedene Touchpoints hinweg und den wiederkehrenden Besuchen erfolgt und das „gelernte“ Nutzerinteresse zur Personalisierung des nächsten Besuchs verwendet wird. Andererseits gibt es die Session-basierte Personalisierung, die das Momentum als relevanter als eine vorangegangene Customer Journey ansieht, und welche mit Echtzeitanalysen und Echtzeit-Datenaktivierungen in der aktuellen Session arbeitet.

Beide Varianten können Empfehlungen grundsätzlich User-zentrisch oder produktzentrisch ausspielen. Die aktuellen Erfahrungen mit Recommendation Engines zeigen aber, dass rein produktzentrische Empfehlungen (Aussage 1) weniger erfolgreich sind als Produkt- empfehlungen, die auf dem gleichen User-Typ basieren (Aussage 2).

Datenoperationalisierung & Datenaktivierung in Echtzeit

Eine Session-basierte Personalisierung kann als Alternative oder auch als Ergänzung zur lang etablierten User-basierten Personalisierung gesehen werden: Die Session-basierte Personalisierung benötigt keine Personendaten, sondern fokussiert auf die laufende Session – und somit dem aktuellen Moment, in dem sich ein User befindet: Zum Beispiel morgens mobil von unterwegs oder abends daheim am Desktop-PC. Es ergibt sich ein anonymes, aber trotzdem hinreichendes individuelles Nutzerprofil.

Dieser Ansatz erlaubt es auch, auf eine untypisch verlaufende Session adäquat zu reagieren: Das anonyme Datenprofil kann entsprechend der jeweiligen Ausprägung der Session durch wechselnde Kategorien, genutzte Filter oder durch andere Interaktionen gegenüber den entsprechenden Sessions mit gleicher Ausprägung aus der Datenhistorie analysiert werden. Daraus kann bei jedem Klick eine neue Analyse erfolgen, die entsprechende Auswirkungen auf die persönliche Relevanz hat. Die Analyse muss zwingend in Echtzeit passieren, damit eine personalisierte Ausspielung ebenfalls sofort erscheint.

Datenaktivierung in Echtzeit ist nicht trivial – aber sehr ergiebig. Es benötigt eine Datenbasis (circa die letzten sechs bis zwölf Monate), um statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen. Im ersten Schritt sind dafür die beiden Datenquellen Webtracking und Produktdaten völlig ausreichend. Diese Datenbasis besitzt in der Regel jedes E-Commerce- Unternehmen, und zwar als First-Party-Datensatz.

Use Case

Beispielhaft sei hier ein Use Case genannt, der für den E-Commerce typisch ist:

Ein Nutzer klickt auf eine Werbeanzeige und landet auf dem verlinkten Onlineshop.

Damit sind bereits einige Datenpunkte aus der Webanalyse gegeben: Tag, Zeit, Geolocation, Gerätetyp, Browser, Betriebssystem, Referrer und so weiter – alles anonyme Session-Daten, die aber schon aufzeigen, welche Variantenvielfalt es hier gibt. Dazu kommen die demografischen Daten, die der Ad-Server liefert, zum Beispiel weiblich und 40 bis 50 Jahre alt. Ferner könnten auch weitere Datenquellen, zum Beispiel die zur Geolocation und dem Datum passenden Wetterdaten, Veranstaltungsdaten oder Saisonalitäten vorliegen; so zum Beispiel: sonnig, 15 bis 20° C, Ferienbeginn.

So ergibt sich für diese Nutzerin bereits vor einer möglichen Wiedererkennung ein Bild:

  • Aus den Session-Daten der Webanalyse: Sonntag, 17 Uhr, Köln, iPad, iOS 14, Safari
  • Vom Ad-Server: weiblich, 40 bis 50 Jahre alt
  • Externe Daten: sonnig, 20° C, erstes Ferienwochenende in Nordrhein- Westfalen

 

Mit diesen Datenpunkten kann eine tiefgehende Echtzeitanalyse stattfinden, die „Nutzer wie Du“ aus der Datenhistorie und damit auch deren Verhalten wie Product Views, Klicks, Add to Baskets et cetera identifiziert und die Käufe der „Nutzer wie Du“ auswertet. Die Präferenzen der so gefundenen „digitalen Geschwister“ – der individuellen Peer Group – lassen eine relevante Personalisierung für die aktuell aktive Nutzerin zu, denn entsprechend der Signifikanz der identifizierten Präferenzen der Peer Group werden passende Inhalte angezeigt. Wichtig ist hierbei, dass nach hinreichend ähnlichen Nutzern gesucht wird, aber nicht nach identischen. Letztere wären aufgrund der vielen Varianten der gegebenen Datenpunkte zu wenige.

Die Präferenzen werden in dem hiesigen Use Case in Form einer sortierten Liste der anzuzeigenden Produkte abgebildet. Zur optimalen Sortierung werden Product Scores eingesetzt, welche die Interaktionen mit den Produkten durch die individuelle Peer Group berücksichtigt. Natürlich bedarf es hier einer Sortimentssteuerung, um die Gewichtung des Scorings anzupassen. Das ist nötig für die Anpassung des Algorithmus auf Marketingmaßnahmen, dem Erscheinen neuer Produkte oder auch dem gezielten Abverkauf von Restposten. Eine Sortimentssteuerung muss erlauben, dass die jeweiligen Sales- und Marketingstrategien vom Algorithmus vollständig unterstützt werden. Das Ergebnis bleibt weiterhin datengetrieben und individuell relevant, aber es werden für bestimmte Produkte entsprechende Gewichtungen gesetzt.

Wenn die Nutzerin aus dem hier einschlägigen Use Case nun noch einen Filter benutzt, um zum Beispiel die Kleidergröße und das Preissegment festzulegen, sind diese beiden weiteren Datenpunkte verfügbar. Damit kann die Echtzeitanalyse erneut durchgeführt werden und eine noch relevantere sortierte Liste die individuell am wahrscheinlichsten präferierten Produkte ausspielen. Man könnte auch von einer Wette auf eine Prediction sprechen: Mit jeder personalisierten Ausspielung interagiert der Nutzer – oder auch nicht, was das Webtracking stets erfasst. So „lernt“ das System über die Zeit, ob die angezeigten Produkte relevant waren oder nicht und kann den Algorithmus anpassen.

Nun hat die Nutzerin eines der angezeigten Produkte angeklickt und landet auf der Produktdetailseite. Dort wählt sie das Produkt in einer bestimmten Farbe. Der nächste Datenpunkt ist verfügbar und die Analyse kann erneut durchgeführt werden. So ist zusätzlich eine höchst relevante Empfehlung auf der Produktseite möglich, die reflektiert, wie sich ähnliche Nutzerinnen verhalten haben. Aber was soll man einer Kundin im Sommer anbieten, die zuletzt eine Winterjacke gekauft hat? Die Produkte anzuzeigen, die alle Winterjacken-Käufer mehrheitlich kauften, ist nicht persönlich relevant. Aber die Produkte anzuzeigen, die von der persönlichen Peer Group gekauft wurden, ist relevant.

Diese Form der Session-basierten anonymen – aber signifikant relevanten – Personalisierung funktioniert natürlich auch bei jedem anderen Referrer, also jeder anderen Inspirationsquelle als eine Werbeanzeige und ebenso für den Direct Traffic.

Aber auch Display-Werbung kann so für unbekannte Nutzer personalisiert werden. Dabei muss die Echtzeitanalyse stattfinden, wenn das Bidding gewonnen wurde, aber noch bevor das Banner eingeblendet wird. Dieses Zeitfensterbeträgtinder Regel nurvier Millisekunden. Einpersonalisiertes Banner kann zum Beispiel ein für den jeweiligen Nutzer relevantes Produkt zeigen oder auch eine andere Bannervariante hinsichtlich des Designs oder der Kernaussage. Wichtig ist dann, dass nach einem Klick auf das Banner die Personalisierung im Onlineshop nahtlos weitergeht (wie anfangs beschrieben) und das mit dem Werbebanner ausgespielte Produkt sofort im Shop prominent angezeigt wird.

Fazit

Mit dem beschriebenen Ansatz der Session-basierten Personalisierung für die CX-Optimierung konnten die Autoren bei ihren Kunden zum Beispiel eine Steigerung der Klickraten bei Banner-Werbung um 300 Prozent erreichen. Dabei wurden signifikant mehr Neukunden erreicht und der Umsatz stieg um 14 Prozent.

Bei Mobilgeräten sind die Ergebnisse besonders ausgeprägt. Aufgrund des kleineren Bildschirms müssen schon die ersten angezeigten Produkte eine hohe persönliche Relevanz haben, um die Aufmerksamkeit und folglich das User-Engagement zu erhalten. Für Mobilgeräte sind Steigerungen der Konversionsraten und Umsätze von 15 bis 20 Prozent nicht selten.

Nachhaltig positiv auf die Geschäftszahlen wirkt aber auch der so erzeugte datengetriebene Prozess für die Aussteuerung der Personalisierungsstrategien im Einklang mit der Sortimentssteuerung. Analysten, Marketing-, CRM und Shop-Manager arbeiten so enger und auf genau derselben Datenbasis zusammen, welche die eingebundenen Datensilos effektiv miteinander verbindet – statt sie nur parallel zu nutzen oder gar nur zu verwalten. Die Kunden der Autoren profitieren durch eine solch datengetriebene Personalisierungsstrategie von jährlich wachsenden Performance- und Umsatzwerten.

 

Literatur

[1] Gartner Glossary (o. J.): Customer Experience. https://www.gartner.com/ en/information-technology/glossary/customer-experience – Zugriff 20.09.2022


Die Autoren:

Über Matthias Bettag

Matthias Bettag ist seit 2019 Senior Data Strategist bei ODOSCOPE GmbH. Er war Mitbegründer der Fachkonferenz „Digital Analytics Hub“.