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Was das Video von Mark Z. für uns bedeutet.

Läutete Mark Z. mit seinem Schwenk auch das Ende von Social Media ein? Zumindest so, wie wir es bisher kannten. Alles Weitere hängt allein von uns ab.
Dominik Ruisinger | 22.01.2025

Seit wenigen Tagen habe ich das Gefühl, dass wir dem Ende des bisherigen Social Media, wie ich es in meinem gleichnamigen Buch beschreibe, einen deutlichen Schritt nähergekommen sind. Zumindest lese ich dies aus dem politisch-wirtschaftlich motivierten Schwenk von Mark Z. und den darauffolgenden Reaktionen heraus.

Ist dies Redefreiheit?

Fassen wir das Bekannte kurz zusammen: In einem Video kündigte Mark Z. an, dass Meta „zurück zu den Wurzeln“ kehre und mehr auf „Redefreiheit“ setze. Dazu würden Fact Checker durch Community Notes ersetzt, Content Policies entschärft, Moderationen gelockert, die Durchsetzung von Regeln reduziert und politische Inhalte gepusht werden. Diese Kehrtwende ist extrem: Sollte Threads bis vor kurzem die unpolitische Alternative zu X sein, soll auch dort die politische Kommunikation stärker an Oberhand gewinnen.

Entwickeln sich die Meta-Plattformen ähnlich wie X zu den neuen Schauplätzen politischer Auseinandersetzungen? Durchaus möglich. Werden dazu Tor und Tür für Hass, Häme, Hate und Fake News geöffnet? Auf jeden Fall erleichtert. Trägt dies dazu bei, unsere Gesellschaft weiter zu polarisieren? Sehr wahrscheinlich. Und liefert dies verantwortungsvollen Marketern eine verlässliche Basis? Wohl kaum. Denn anders gefragt: Ist dies wirklich Rede- und Meinungsfreiheit, wenn Desinformationen und Hate Speech einen Freifahrtschein erhalten? Auf jeden Fall nicht in meinem Verständnis.

Ist Business everything?

Viele hoffen jetzt auf die EU und den Digital Services Act, um die Kennzeichnung von Falschinformationen mithilfe von Faktencheckern zu erhalten, damit sich der beschriebene „Kniefall“ vor Trump & Co. nicht nach Europa verbreitet. Nur: Spielt Europa wirklich diese Rolle, wie wir als Europäerinnen und Europäer immer zu denken oder zu hoffen glauben? Vielleicht deutlich weniger als gedacht.

Doch ist die Entscheidung von Meta falsch? Wenn wir dies aus einem liberalen, von Werten geleiteten Weltbild beurteilen, auf jeden Fall. Aber was ist, wenn die Mehrheit der Meta-User dieses Weltbild überhaupt nicht teilt? Und sich Mark Z. an dieser Mehrheit orientiert, um sich und seinen Aktionärinnen und Aktionären die besten Voraussetzungen zu schaffen? Ist dann dieser Schulterschluss mit der kommenden Trump-Regierung aus Sicht von „Business is everything“ nicht sogar richtig, auch wenn es uns nicht passt?

Ein Denkzettel an Mark Z.

Social Media war ursprünglich die ganz wundervolle Idee, Menschen unabhängig von Zeit und Raum an einem digitalen Ort zusammenzubringen. Doch in den letzten Jahren haben Algorithmen, KI und die finanziellen Interessen der Plattformen die Kanäle verändert, haben Politik und die Werbeindustrie sie immer stärker im Griff – mit den fast schon logischen Konsequenzen, wie wir sie bei X und jetzt bei Meta erleben.

Was sollen wir also jetzt tun? Einerseits können wir Mark Z. & Co. einen Denkzettel verpassen, in dem wir aufzeigen, dass die große Mehrheit doch nicht so denkt, wie er zu glauben scheint: Indem die Werbeindustrie nicht mehr den endlosen Verlockungen des perfekten Meta-Targetings erliegt, sondern Verantwortung übernimmt, aus den Kanälen aussteigt oder zumindest das finanzielle Engagement ähnlich wie bei X deutlich reduziert; und indem wir Userinnen und User uns noch stärker aus den Netzwerken verabschieden bzw. unser Verhalten drastisch einschränken. Diesen allmählichen Rückzug lässt sich übrigens schon heute national wie international beobachten.

Baue zu Hause, nicht als Gast.

Andererseits – und dies ist für mich das wichtigste Learning – hat uns nach Elon auch Mark deutlich gemacht, dass wir auf ihren Plattformen nur zu Gast und sie der uneingeschränkte Boss sind. Und falls wir diese „Gastfreundschaft“ nicht mehr wollten, könnten wir ja gerne gehen. Darum müssen wir dieses Video als dringenden Weckruf begreifen: Baue niemals dein Haus auf einem gemieteten Land. Oder – bezogen auf Meta, X & Co.: Vertraue niemals auf Plattformen, die du nicht kontrollieren kannst, sondern verlasse dich auf die Plattformen, auf denen du selbst zu Hause bist.

Social ist Media ist Marketing.

Darum hoffe ich, dass dieser radikale Wechsel zu einem neuen Boom bei eigenen Plattformen führt, zu einem Zeitalter, in dem wieder Webseiten, Content-Hubs, Blogs, Online-Magazine, Podcasts und E-Mail-Marketing haussieren. Indem wir uns darauf fokussieren, eigene, auch kleinere Communitys unabhängig von Meta & Co. aufzubauen und zu pflegen. Zumindest wäre dieser Fokus die passende Antwort auf diese Entwicklung, wie ich auch in meinem Buch „Das Ende von Social Media“ beschreibe.

Und Social? Social ist Media ist Marketing. Und damit lässt sich eigener Content durchaus pushen, wenn man den Elons, Marks & Co. Geld in den Gierschlund werfen will. Dies wird für viele kurz- und mittelfristig notwendig sein. Aber zu viel mehr werden diese Plattformen langfristig kaum taugen. Dafür hat Mark Zuckerberg mit seiner Entscheidung gesorgt.

Cover of Das Ende von Social Media

Warum wir digitale Netzwerke neu denken müssen.

Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
2024, 212 Seiten, 29,99 Euro ISBN: 978379106264

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Dominik Ruisinger ist seit Ende der 90er Jahre Berater, Trainer und Autor für digitale und strategische Kommunikation mit Sitz in Berlin & Stuttgart.