CES 2020: Gadgets, Trends und viele Fragen
Die CES 2020 zeigte, dass sich viele Unternehmen nach wie vor schwer tun, schlüssige Einsatzfelder für Künstliche Intelligenz und Robotics für Endkunden zu entwickeln. Aber spannend war der Jahresauftakt allemal.
Die Consumer Electronic Show in Las Vegas schloss am Freitag ihre Pforten. Das Gadget-Gewitter in Las Vegas ist alljährlich die Auftaktveranstaltung für das Eventjahr in der Tech-Branche. Neben neuesten Produkten und Prototypen zeigen die Unternehmen, wie sie sich im kommenden Jahr positionieren wollen und geben damit die Richtung auch für andere Marketer vor.
CES, die Automesse
Sony zeigt ein Auto, Mercedes zeigt ein spektakuläres Auto, Byton zeigt ein serienreifes Auto aber Toyota und Hyundai zeigen bewusst keines. Das ist das Spannungsfeld der Mobilitätsbranche in diesem Jahr. Keiner weiß, wie viele Autos künftig noch abgesetzt werden, und so setzen die einen (Toyota und Hyundai) auf die größer gedachte Vision von Mobilität. Hyundai zeigte integrierte Mobilitätslösungen unter anderem mit einem Flugtaxi. Die Kooperation mit Uber wurde in Las Vegas offiziell bekannt gegeben und im Gegensatz zu Ubers Vorjahrespartner Bell (die Hubschrauberfirma) hat Hyundai mehr Erfahrung in der Massenproduktion.
Toyota sucht ebenfalls nach einer integrierten Vision und diese baut man nun einfach selbst. Am Fuße des Mount Fuji, am Standort des heutigen Werksgeländes Susono, wird eine Kleinstadt entstehen mit 2000 Einwohnern, die als lebendes Labor für die Urbanität der Zukunft dienen soll.
Mercedes und Byton sind diesen Weg in der Markenausrichtung noch nicht gegangen. Wie schon auf der IAA lässt es Mercedes an Vision vermissen. Stattdessen präsentierte CEO Ola Källenius eine Studie namens AVTR, die Anlehnungen an den Film Avatar nimmt. Das erzeugt zwar mediale Aufmerksamkeit, aber ob es aus Sicht künftiger Kunden das richtige Bild von Mercedes vermittelt, darf diskutiert werden.
Da steht Byton besser da. Das chinesische Unternehmen hat seinen Prototypen fertig entwickelt und startet im Sommer die Serienproduktion. Der M-Byte verfügt über ein 48“-Frontdisplay und zwei Tablets, von denen eines in das Lenkrad eingebaut ist. Bei der ganzen Vorstellung des „Smartphone auf Rädern“ ging es fast nur um Konnektivität. Und mit einem avisierten Verkaufspreis von 45 000 Dollar wird der M-Byte beträchtlich in Mercedes Brot und Buttergeschäft, nämlich bei der C-Klasse wildern.
Sony unterdessen nutzt das Auto nur als Testlabor. Darin sind 33 Sensoren verbaut, die sich vor allem um Sicherheit kümmern. Die Studie Vision S ist vor allem darauf ausgelegt, andere Automobiler davon zu überzeugen, Sony Sensorik zu verbauen.
Hauselektronik: die Platzhirsche
Samsung, LG und mit Abstrichen auch General Electric sind die etablierten Dominatoren der CES, aber sie müssen sich dem Aufmerksamkeitswettbewerb mit den anderen stellen, schließlich gibt es im Bereich Smart Home Tausende innovativer Start-ups. Es wirkt etwas hilflos, wenn LG Jahr für Jahr den Vernetzungsgrad zwischen Kühlschrank, Waschmaschine und Trockner immer weiter steigert, ohne dass sich plausible Anwendungsszenarien finden. Dagegen ist der Einbau einer KI in die Waschmaschine, die dann in der Lage ist, die Wäschezusammensetzung in der Trommel zu erkennen und das richtige Programm auszuwählen, tatsächlich eine nachvollziehbar sinnvolle Innovation.
General Electric hat eine ganz eigene Idee zum Thema Smart Home entwickelt. „Wir müssen darauf achten, dass die Innovationen zur Lebenswirklichkeit der Menschen passen“, sagte eine GE-Sprecherin dem US-Nachrichtensender CNet. Wie wahr.
Für GE bedeutet dass, dass der Smart Mirror eben nicht im Laden steht und seine Kundinnen ungefragt filmt, sondern dass er ein Device für die eigenen vier Wände ist. Ähnlich die Idee von Smart Kitchen: Ja, es gibt den Service-Assistenten, der Rezepte vorschlägt. Aber das visionärere Konzept von GE ist Homegrowing. Kräuter und Gemüse werden in der Küche des Kunden angebaut, dann weiß er wo das herkommt. Und die Smarte GE-Küche hilft beim Gärtnern.
Aber der inoffizielle Gewinner der Show ist Samsung. Sehr schnell wird der drehbare Fernseher Sero auf dem Einkaufszettel der Marketer landen, denn damit können sie im Konferenzraum Kampagnen für Social Media so testen, wie der User sie vermutlich sehen wird.
Ballie bescherte Samsung viel Aufmerksamkeit, vor allem, weil das Promotionvideo gut gemacht ist. Es handelt sich um einen sogenannten Home Companion von Größe und Form einer Grapefruit. Das Ding rollt fröhlich durch die Gegend, filmt sein Frauchen beim Yoga machen, schaltet den Fernseher für den gelangweilten Hund an und befiehlt dem Staubsaugerroboter, wann er sauber zu machen hat. Soweit der Film. In der Realität hat Ballie schon Probleme, wenn er dem Samsung CEO Kim auf der Bühne nachrollen soll.
Da hatte Samsung viel Spannenderes im Köcher: Die AR-Glasses (Augmented Reality) sehen cool aus und mit der Vorstellung einer virtuellen Trainerin, die die Nutzerin durch die Brille sieht, wurde auch gleich ein interessantes Anwendungsbeispiel demonstriert.
Mit Gems präsentierten die Koreaner ein neuartiges Fitnessgerät. Es ist ein Exoskelett mit Widerstand. Wie bei einem Hometrainer muss der Sportler seine Bewegungen gegen den Widerstand des Geräts leisten. Im Falle Gems geht es um Hüfte, Bauchmuskeln, unterer Rücken und Oberschenkel.
Aber die wohl spannendste Innovation von Samsung kommt von einer Tochtergesellschaft namens Star Lab. Unter dem Namen Neon zeigt man eine Handvoll Avatare, die verblüffend realistisch aussehen. US-Beobachter spekulieren, dass sie mittels Motion Capture gebaut wurden. Man hat also die Bewegungen echter Menschen digitalisiert und auf die Computer-Models übertragen.
Während das CES-Publikum sich vor allem auf die unmittelbare Interaktion mit den Avataren konzentrierte und im Dialog die Samsung-KI sehr schnell an ihre Grenzen trieb, wie das bislang bei fast allen KI-Assistenten und –Bots der Fall ist, sollte der geneigte Marketer einen Gedanken in Richtung virtuelle Influencer oder virtuelle Trainer verschwenden. Wenn es so einfach ist, wie Star Labs behauptet, dann steht dem nicht viel im Weg, dass Trainer oder Models sich ein digitales Double erschaffen und es in einem klar umgrenzten Wirkungsraum walten lassen. Ein Photoshooting mit „Giselle Bündchen 2“ an den Stränden von Ipanema wäre direkt am heimischen PC realisierbar und sieht trotzdem echt aus. Star Labs will Neon im Sommer zur öffentlichen Beta freigeben. Mal sehen, was es kann.
Fazit
Es gab auf der CES Tausende von Gadgets, über die sich schreiben ließe, aber die ganz großen Innovationen blieben aus. Manche Autoren feierten Produkte wie die Schnellzahnbürste Y-Brush oder das RollUp Display von LG als Top-Innovation, dabei sind die vom letzten Jahr.
Dieses Jahr waren mehr inkrementelle Innovationen zu sehen. Und das ist auch dem Umstand geschuldet, dass viele Lösungen noch nicht sauber in den Alltag der Menschen zu integrieren sind. So buhlen viele Anbieter zum Beispiel um den Bildschirm in der Küche. Neben vielen Modulen mit proprietärer Technologie bietet LG eine Version an, auf der schlichtes Android läuft. „Prima, dann ich endlich das installieren, was ich persönlich will“ freut sich der Chef-Produkttester von CNet, Jason Hiner. Und er spricht damit aus, was viele denken: Die Schaltzentrale der digitalen Persönlichkeit ist das Smartphone und nicht die Mikrowelle oder das Auto. Eine Bevormundung mit eingeschränktem Angebot werde sich die User auf anderen Bildschirmen nicht lange gefallen lassen. So wie viele Autofahrer Google Maps benutzen, weil es einfach besser ist als das Onboard-Navi.
Spannend war auch, dass sich die Tonlage auf der CES geändert hat. Exzessiver Konsum ist nun mal ein Problem für die Idee von Nachhaltigkeit. Und so wundert es nicht, dass Recycling, Öko-Energie, Wiederverwendbarkeit und natürlich Ressourcenschonung in der Herstellung inzwischen ein wichtiges Marketing-Kriterium geworden ist, um im Messelärm nicht nur gehört sondern auch für vollgenommen zu werden.
P.S. Und alles spricht von Datenschutz und Privatsphäre. Auch und vor allem Google.
Hier ein paar witzige Innovationen:
Living Packets: Paket mit Tracking und Kameras zur Selbstüberwachung und Reduktion von Müll
Envision Body: Der Spiegel, der seinen Betrachter schöner macht und dadurch zum Sport animieren will
Samsung Smart Labs Neon – Virtuelle Menschen
Samsung Sero – Der Aufrechtfenseher
Samsung Gems – Das Exoskellett als Trainer
MUI Panel: Ein Display verschwindet hinter Holz und reagiert trotzdem auf Berührung