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Wie Headlines bis zu zehn Mal mehr Reaktionen bringen

Schon in den ersten Sekunden fällt die Entscheidung über den Erfolg jeder Werbung. Headlines und Bilder spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Robert K. Bidmon | 11.07.2022
Wie Headlines 5 bis 10 Mal mehr Reaktionen bringen © Freepik / cookie_studio
 

Wie wichtig die Headlines sind, wissen wir seit fast 100 Jahren. Die Praktiker eint die Erkenntnis, dass mit der größten Headline bis zu zehn Mal mehr Reaktionen möglich sind. Immer dann, wenn man eine schlechte durch eine gute ersetzt. Dies gilt im On- und Offline-Bereich.

Und dies alles wird unterstützt durch praxisrelevante Studien aus der wissenschaftlichen Psychologie. Was zeichnet solche guten Headlines aus? Sie müssen mindestens drei Bedingungen erfüllen:

  • Sie sind schnell lesbar und schnell verständlich
  • Sie motivieren, sich mit dem Rest des Werbemittels („Text“) zu beschäftigen
  • Und sie deuten relevante Emotionen für die Zielgruppe an

Schnelle Lesbarkeit und Verständlichkeit der Headline

Gute Lesbarkeit

Zuerst ein kleines Beispiel: Beurteilen Sie die Lesbarkeit der Headlines in den Kästchen:

 

Abb. 1: Lesbarkeit einer Headline, je nach Hintergrund (Kaum Prägnanz gegenüber Hintergrund, unruhiger Hintergrund, ungewöhnliche Fonts)

 

Warum ist das so? Eine der ersten Leistungen von Auge und Gehirn ist es, die Welt blitzschnell zu trennen - in den wichtigeren Vordergrund (in unserem Fall der Headline) und den Hintergrund. Übrigens: Je schneller dies geht, umso positiver wird die Werbung schon in den ersten Sekunden bewertet, wie eine Studie zeigt.

Nun zur schnellen Verständlichkeit:

Headlines sollten auch schon beim ersten Blick schnell verständlich sein. Kurze Headlines sind hier besser als lange. Optimal verständlich sind aktiv formulierte Headlines. Diese haben meist ein Verb am Anfang, wie diese Beispiele zeigen:

  • Bestellen Sie noch heute Ihren Erfolg
  • So sparen Sie bares Geld
  • Da staunt Ihr Nachbar

 

Auch möglichst konkrete Formulierungen machen Headlines verständlicher: Also nicht „Begrenzter Lagerbestand“, sondern z.B. „249 Stück auf Lager“. Deshalb sollten Zahlen und/oder konkrete, bildhafte Wörter verwendet werden. Solche konkreten Formulierungen führen schon beim ersten Kontakt zu klaren Vorstellungen z.B. über die möglichen Nutzen. Die Botschaften solcher Headlines werden schon in den ersten Sekunden von den Lesenden schneller verstanden. Und sie werden auch besser erinnert als solche mit abstrakten Worten, so eine Studie. Das ist Werbewirkung ab der ersten Sekunde.

Die positiven Folgen lesbarer und verständlicher Headlines

Doch, wie weitere Studien zeigen, gibt es noch eine weitere positive Folge lesbarer und verständlicher Headlines: Ihre Botschaft wird eher als „das ist gut und wahr“ bewertet. Warum ist das so? Das menschliche Gehirn neigt zur Bequemlichkeit. Es möchte mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Erkenntnisse über die Umwelt sammeln. Der Grund: Das Gehirn verbraucht ca. 20 % aller (Zucker-)Energie, obwohl es nur 2 % des Körpergewichts eines durchschnittlichen Menschen ausmacht. Das Ziel ist es, Informationen zu verarbeiten mit weniger als den 20 % Energie. Und alles Einfache bewertet das Gehirn positiv. Oder wie es die Praxis formuliert: KISS – Keep it simple and short. Oder: je einfacher, umso besser.

Headlines verkaufen nicht sofort – sie verführen

Eine zentrale Erkenntnis zu Headlines aus über 100 Jahren Marketingerfahrung fassen Simpson & Kurtz 2016 zusammen: “Der einzige Zweck einer Headline ist es, die Leute dazu zu kriegen, den Rest zu lesen. Headlines verkaufen nicht, bestätigen keinen Standpunkt, argumentieren für oder gegen eine Position oder sagen irgendetwas über den Werber. Sie bringen nur die Leute dazu, den nächsten Absatz zu lesen.“ Sie verführen die Lesenden zum Lesen des Textes. Im Anschluss sind dann Reaktionen zu erwarten, etwa in Form von Bestellungen.

Ähnlich, aber allgemeiner, sehen es neuere psychologische Studien über das Nicht-Bewusste: Ständig fällt das Gehirn Urteile und Entscheidungen. Dabei stellt es Prognosen über die nächste Zukunft an.
Ganz allgemein formuliert: Ob sich eine Zielperson mit dem Werbemittel insgesamt beschäftigt, entscheidet sich schon in den ersten Sekunden des Kontakts. Die großen, zuerst wahrgenommenen Headlines sind die Motivatoren zum Lesen - in Print- und vielen Online-Werbemitteln. So erhalten die Zielpersonen oft innerhalb von 1-2 Sekunden eine Vorstellung über die Inhalte. Die „Andeutung“ ist dabei die häufigste Technik bei der Formulierung der Headlines.

Dieses „Andeuten“ funktioniert mit Andeutungsformulierungen, wie z.B. dem Wörtchen „So“ im Beispiel unten. Es sagt dem Lesenden: “Hier unter der Headline findest du präzisere Informationen“ z.B. zur Kundengewinnung. Es gibt viele solche Andeutungsformulierungen: „Wie Sie...“, „Drei Tipps…“, „Dies hier ist...“, „Das Geheimnis …“, „10 Wege …“, „Wie …“, Und alles Einfache bewertet das Gehirn positiv.

Abb. 2: Headlines „verführen“ zum Lesen, in dem sie den für die Zielgruppe relevanten Content andeuten. Links ohne Andeutungsformulierung und Nutzenformulierungen, rechts mit Andeutung „So“ und Nutzen (grün) „Kunden mehr am Tag gewinnen“ und Konkretisierung (rot): 7.

 

Bei E-Mails wird z.B. zuerst der Betreff wahrgenommen. Auch er deutet den Inhalt der E-Mail an. Er funktioniert dabei wie die Headlines bei Briefen oder Landingpages. Die Änderung des Betreffs kann deshalb die Öffnungsrate verändern - und zwar auch fünf bis zehn Mal.

Daraus ergibt sich ein „Rezept zur Formulierung von Headlines“: Nach Andeutungsformulierungen sollte ein Köder kommen, also zielgruppenrelevanter Content, wie z.B. ein konkreter Nutzen, relevante Werte etc.

Die Headlines mit dem richtigen Köder versehen

Was nicht so gut funktioniert

Der Inhalt von Headlines aktiviert von Anfang nur dann, wenn er für die Zielgruppe eine hohe emotionale Bedeutung hat. Das ist leider häufig nicht der Fall! Viele Headlines sind „Label – Headlines“. Sie bezeichnen nur das abgebildete Produkt. Oft in einer Sprache, die zwar für den Texter, nicht aber für die Zielgruppe verständlich ist. Hier einige Negativ-Beispiele:

  • ZX 1450 (neben einem abgebildeten Kopierer),
  • Eula 4 (neben einem abgebildeten Bindegerät),
  • Wortbanddrehstempel mit Datum, STAMP 410 (neben einem abgebildeten Stempel).

 

Was funktioniert besser als solche Label-Headlines?

Köder Emotion: Wie verführen wir also zum Lesen?

Vergessen Sie, dass beim Menschen der Intellekt über allem steht. Auch Menschen reagieren zuerst immer emotional. „Das Herz gewinnt“. Immer. Auch im Bereich Business-to-Business. Deshalb sind Emotionen der Schlüssel zum Verkauf, und deshalb sollten Headlines positive Emotionen ansprechen wie z.B. Liebe, Freude, Dankbarkeit, Stolz, Inspiration, Vergnügen etc.

Wer mit emotionalen Headlines arbeitet, profitiert von folgenden drei Vorteilen bei den Zielpersonen.

1. Schneller Wahrnehmung der relevanten emotionalen Information.

2. Blitzschnelle Bewertung des Informationsangebots (z.B. „Text“): „ist das gut, soll ich mich damit beschäftigen oder ist das schlecht, soll ich es wegklicken/wegwerfen?“

3. Aktivierung des Gehirns für nachfolgende Informationen. Diese werden dann besser aufgenommen und verarbeitet.

 

Warum ist das so? Emotionen steuern das schnelle Handeln bei Säugetieren und Menschen, und sichern damit das (Über-)Leben. Wer auf einem Waldweg beim Auftauchen einer mutmaßlichen Schlange blitzschnell zur Seite springt, hat höhere Überlebenschancen als derjenige, der zuerst herausfinden möchte, um welche Schlangenart es sich handelt.

Erst nach den ersten Emotionen kommt beim Menschen der Intellekt: Denken, Überlegungen etc. Das, was wir als rational bezeichnen, ist häufig die Begründung einer vorherigen emotionalen Entscheidung, so eine zentrale Erkenntnis von Damasio - schon 2005.

Durch die Andeutung positiver Emotionen ködern wir die Lesenden. Dies geschieht u.a. durch positive Worte, Nutzen und Werte, Neuigkeiten.

Köder Nutzen:

Headlines sollten Vorteile/Nutzen andeuten, also Ziele, die man mit dem angebotenen Produkt/Dienstleistung erreichen kann. Hier einige Anregungen:

  • das Eigeninteresse/den Eigennutz der Zielgruppe ansprechen („Wie Sie in 4 Wochen eine neue Sprache sprechen“).
  • Zeigen, wie sich die Zielgruppe mit dem Angebot profilieren kann („da staunt Ihr Nachbar).
  • Einfache, schnelle Wege zeigen, mit der die Zielgruppe möglichst schnell ihre Ziele erreicht („So falten Sie ein T-Shirt in 10 Sekunden“).

 

Vermeiden Sie Headlines, die nur auf Neugier aufbauen. Kombinieren Sie Neugier immer mit einem Nutzen. Und vermeiden Sie Negativformulierungen! Formulieren Sie positiv

Köder Werte:

Headlines sollten auch die Werte der Zielgruppe teilen. Dies geschieht vermehrt seit über zehn Jahren. Der Marketing-Papst Kotler propagiert seit 2010, dass das 21. Jahrhundert durch werteorientiertes Marketing geprägt sein wird

Die „Werte-Headlines“ unterstützen häufig die Nutzenheadlines. Sie zeigen wie z.B. durch den Kauf eines Produktes die Umwelt gerettet wird, wie soziale Bewegungen oder Bildungseinrichtungen unterstützt werden („Sie retten den Regenwald mit jedem Kasten Bier“, „Sie fördern mit jedem Kauf die Ausstattung unserer Schulen“).

In Werten dokumentiert sich das, was ein Individuum, eine Gruppe oder eine Gesellschaft als wünschenswert ansieht, also emotional positiv bewertet. Damit beeinflussen Werte die Auswahl unter möglichen Handlungszielen, Mitteln und Handlungsweisen.

Der Neu-Köder:

Wenn möglich, sollten Headlines eine Neuigkeit andeuten, z.B. „Neu: Das erste Smartphone mit 108 Megapixel Quad-Kamera“. Hier wirkt das Wörtchen „Neu“ oder ein verwandtes, wie: frisch, brandaktuell, taufrisch, soeben eingetroffen, erstmals im Angebot, erstmalig, Einführung; Neuerung, sensationell, revolutionär, Revolution etc.
Dieser „Neu-Trick“ funktioniert auch in den nächsten Jahrhunderten. Der Grund liegt in unserem Gehirn. Es hat einen „Neuigkeitsdetektor“, den Hippocampus. Er ist eine Schnittstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Sie wählt aus den vielen einkommenden Informationen die neuen und relevanten aus, um sie später an das Langzeitgedächtnis zu überspielen. Und das wird er auch in den nächsten Jahrhunderten tun.

Wie steigern Sie also mit Headlines, die Reaktionen um ein Vielfaches?

Sorgen Sie, dass insbesondere die größten Headlines schnell lesbar und verständlich sind. Kontrollieren Sie, ob die Headlines motivieren, den Text zu lesen, einen Download durchzuführen, ein Web-Video anzuschauen. Achten Sie dabei darauf, dass Sie Ihre Umworbenen sofort emotional ansprechen. Enthalten Ihre Headlines Nutzen, Werte, die für die Zielpersonen hochrelevant sind. Und können Sie mit „Neu“ (oder einem verwandten Wort) trumpfen?

 

Dieser Artikel kann mit Literaturhinweisen angefordert werden unter robert@bidmon.de

Img of Robert K. Bidmon

Training und Forschung im wissenschaftlichen Dialogmarketing, z.B. Texterkurse.

Kommentare

Torsten Schwarz

Zusammen mit Professor Vögele hat Robert Bidmon vor 25 Jahren bei mir die Grundlagen für‘s richtige Texten gelegt. Prima Beitrag!

Marcus Heiken

Auch beim Texten von Betreffzeilen sollten diese Regeln beachtet werden. Relativ häufig sieht man immer noch die Wiederholung des Firmen-/Absendernamens am Beginn der Betreffzeile.
Ist dann noch das E-Mail-Template nicht sauber programmiert oder es wird kein Preheader verwendet, sieht der Empfänger in der Nachrichtenvorschau des Mail-Clients oft nicht mehr als:
„Mustermann GmbH – Jetzt Mustermann … – Wenn Probleme mit der Darstell…“.

Günter Heini

Klasse, ein sehr guter Artikel. Habe ich mit größtem Interesse verschlungen. Diese Sätze sind die entscheidenden für mich:
"Dieser „Neu-Trick“ funktioniert auch in den nächsten Jahrhunderten. Der Grund liegt in unserem Gehirn. Es hat einen „Neuigkeitsdetektor“, den Hippocampus. Er ist eine Schnittstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Sie wählt aus den vielen einkommenden Informationen die neuen und relevanten aus, um sie später an das Langzeitgedächtnis zu überspielen. Und das wird er auch in den nächsten Jahrhunderten tun."
Neuigkeitsdetektor trifft es perfekt. Klasse. Vielen Dank.