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Zur Funktion von On- und Offline in Multikanalkampagnen

Erinnern Sie sich noch an die Leitkultur-Diskussion? Was für eine Rangelei um die geistigen Hoheitsrechte im Land der Dichter und Denker!
deleted | 15.09.2011
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



Erinnern Sie sich noch an die Leitkultur-Diskussion? Was für eine Rangelei um die geistigen Hoheitsrechte im Land der Dichter und Denker! Langsam, ganz langsam sieht man klarer. Der Stammtischdunst beginnt sich zu legen. Statt sich Aufgeregtheiten an den Kopf zu werfen, tauscht man Argumente. Woran liegt’s? Auch der letzte Hinterwäldler beginnt zu verstehen, dass Vielfalt Reichtum bedeutet, von der Dönerbude bis zum Bulettenstand.

Die New Economy bescherte uns zu Beginn des Jahrtausends ähnliche Diskussionen. Online sollte mit einem Male Leitmedium sein, alles andere: passé – insbesondere die Altware Papier. Und wieder erleben wir seitdem einen Klärungsprozess. Man besinnt sich darauf, dass jedes Medium seine spezifischen Vorteile hat. Wer sich trotzdem in Leitmedium-Denken verschanzt, wird durch die Realität eines Besseren belehrt.


Perspektiven der Multikanalkommunikation

38 Jahre dauerte es, bis die ersten zehn Millionen Deutschen ein Telefon besaßen. Das Kabelfernsehen brauchte dafür 25, das Mobiltelefon nur noch zehn und das Internet gerade einmal für fünf Jahre (Abb. 1). Zur Innovationsgeschwindigkeit kommt die mittlerweile erreichte Medienvielfalt (Abb. 2). Mit der Macht einer Streubombe verbreiten sich neue Endgeräte und Anwendungen im Markt. Die Menschen freuen sich über ein schier unübersehbares Spektrum an Entertainment- und Informationsmöglichkeiten. Welche Bombe zündet als nächstes? Worauf sollen Marketingplaner setzen?

Faktencheck: Das Internet dringt immer stärker in den Alltag ein. Es beansprucht zunehmend mehr Zeit und Aufmerksamkeit. So hat sich die Verweildauer im Netz in der Gesamtbevölkerung zwischen 2005 bis 2010 nahezu verdoppelt – von 44 auf 83 Minuten pro Person täglich. Bei den 14- bis 29-Jährigen stieg der entsprechende Wert im gleichen Zeitraum sogar von 85 auf 144 Minuten. Dem entspricht die Entwicklung der Werbeerlöse im Zeitraum von 2008 bis 2012 (Abb. 3): Zeitungen und Zeitschriften verloren kräftig, TV ließ etwas weniger nach. Online boomt. Bedeutet dies, dass Online Offline kanibnalisiert?

Um zu verstehen, was wirklich passiert, muss man genauer hinschauen: Die tägliche TV-Verweildauer lag zwischen 2005 und 2010 unverändert bei 220 Minuten in der Gesamtbevölkerung. Unter den 14- bis 29-Jährigen ist sie zwar von 189 auf 151 Minuten gesunken, sie liegt damit aber immer noch höher als die 144 Minuten Nutzungsdauer für das Internet. Und es werden auch immer noch fleißig Bücher gelesen, bei den Jüngeren ist die dafür aufgewendete Zeit sogar leicht gestiegen. Der Sog ins Netz ist zwar unverkennbar. Aber er geht nicht unbedingt zu Lasten konventioneller Medien. Nur was man im Netz schneller, bequemer und faszinierender aufbereitet bekommt, sucht man dort auch auf. Anders ausgedrückt: Die Kommunikationskanäle differenzieren sich funktionsspezifisch aus.


Die funktionale Ausdifferenzierung der Kanäle

Welche Inhalte lassen sich wie und zu welchem Zweck mit welchen Kanälen am besten transportieren? Welche Bedürfnisse werden mit den neuen konvergenten Endgeräten wie Smartphones und Tablet-PCs besser erfüllt als per Fernsehen, Tageszeitungen, Zeitschriften, Mailings oder Telefon? Welche spezifischen, nicht substituierbaren Mehrwerte bieten die herkömmlichen Kanäle?

Überlegen Sie einen Moment, über welche Sinnesreize Offline den Konsumenten erreicht: Bild + Text +? Mit technischem Mehraufwand lässt sich fast alles in Offline-Kommunikation integrieren, was die menschlichen Sinne anspricht. Und genau da liegt das Potenzial von Offline. So weisen Neuromarketing-Experten auf die Bedeutung multisensorischer Reize, vor allem von Geschmack, Duft und Haptik, für die Verankerung von Werbebotschaften im Gehirn des Konsumenten hin. Multisensorische Elemente in White Mails, Anzeigen und Beilagen können den Werbeerfolg dramatisch steigern, wie Ex-BBDO-Werber Martin Lindstrom weiß. Denken wir etwa an das Odeur der neuen Luxuslimousine, das beim Öffnen des Mailings verführerisch duftet. Denken wir an das Versenden von Warenproben oder haptisch aufbereiteter Überraschungen per Mailing, etwa an die vor der Fahrzeugübergabe im Briefkasten befindliche Kfz-Bedienungsanleitung. Stellen wir uns die freudige Erregung beim Auspacken der 3-D-Box vor. Das Erlebnis hat die Kraft, im Gehirn einen „somatischen Marker“ (eine emotional verankerte gedankliche Abkürzung) zu hinterlassen, der künftige Entscheidungen positiv beeinflusst.

Bei allen diesen Mechanismen handelt es sich um weit mehr als nette Add-ons aus der Trickkiste der Produktion. Zielgerichtet eingesetzt, wirken sie als mächtige Effizienzverstärker, über die Online nicht verfügt. Die Effekte multisensorischer Mailings zeigte die britische Royal Mail in einer umfangreichen Studie auf:

1. Stärkerer Impact bei Aufmerksamkeitsgewinnung und Akquisition.
2. Längere Aufmerksamkeitszeiten.
3. Höhere Recall-Werte.
4. Erhöhung der Verkaufswerte.
5. Transport von Produkt-Erlebnissen mittels Kommunikation.

Dennoch kommt Online unbestritten die Rolle des Kommunikationstreibers mit den derzeit kreativsten Beiträgen im Multikanalverbund zu. Entwicklungen wie Social Media und Mobile Marketing erhöhen die Schnelligkeit, Aktualität und Interaktivität sowie auch den Situationsbezug der Kommunikationsmaßnahmen um ein Vielfaches. So hat Mercedes Benz Mobile Marketing konsequent in die bestehende Kanalstrategie integriert, beispielsweise um die Markteinführung neuer Modelle zu unterstützen und Abstrahleffekte auf die Marke zu generieren. Aber wie vereinigt man die funktional ausdifferenzierten Kanäle zu einem mächtigen Kommunikationsstrom, in dem sich die Medien in ihrer Wirkung gegenseitig stützen? Da wir uns derzeit in einer Umbruchphase befinden, gibt es keine Antworten aus dem Lehrbuch. Man muss sich die Antworten durch beharrliches Testen und Lernen erarbeiten: Ausprobieren, was geht, und auf Basis der Learnings die Budgetallokation optimieren! Machen wir es an einem Beispiel fest.


Multikanalkommunikation am Beispiel einer FDL-Kampagne

Für einen Finanzdienstleister (FDL) entwickelten wir eine Multikanalkampagne, mit der eine neue Anlageklasse im Privatkundensegment und bei Interessenten der Bank beworben werden sollte. Die Ziele fächerten sich wie folgt auf:

1. Im Fokus standen die Zeichnung des Produkts in den Filialen sowie die Generierung qualifizierter Leads.
2. Da es sich um eine neue, äußerst erklärungsbedürftige Produktkategorie handelte, sollte der Vertrieb durch die Erzeugung von Nachfragesog massiv unterstützt und motiviert werden.
3. Zudem ging es um eine Verbesserung der Markenbekanntheit, klassische Imagewerbung wurde zu der Zeit nicht geschaltet.

Bei Planungsbeginn standen zwar zahlreiche Einzelerkenntnisse aus Marketingmaßnahmen für andere Bankprodukte zur Verfügung. Aber eine Multikanalkampagne, die das Marktpotenzial systematisch ausschöpfte, unter Berücksichtigung einer zielführenden Budgetallokation, gab es bis dahin nicht. Kurzum: Die Erkenntnisse, die wir suchten, mussten „on the job“ erarbeitet werden. Aus diesem Grund wurde ganz bewusst ein breites Kanal-Spektrum berücksichtigt: Mailings, Directresponse-TV, Events, Anzeigen (TZ, PZ, FZ), Beilagen, Banner, eine Kampagnen-Microsite, Filial-Plakate, Telefonmarketing sowie PR.


Kampagnen-Architektur und Ex-post-Analyse

Jedes Werbemittel war responsefähig und ermöglichte eine messbare Reaktion des Empfängers, die in der zentralen Kampagnen-Datenbank festgehalten wurde. Zudem waren die Werbemittel crossmedial miteinander verlinkt, so dass sich der Kommunikationsstrom über den Kampagnenverlauf in unterschiedliche Kanäle verlagern konnte. Auf diese Weise ließen sich die responsehemmenden und -fördernden Wirkungen der Kanäle über den gesamten Sales-Funnel, also von der Prospects- und Leads-Gewinnung bis hin zum Produkt-Abschluss in der Filiale, prozentgenau identifizieren (Abb. 4). Durch Hinzunahme der aufgewendeten Kosten pro Kanal ließen sich zudem die Costs-per-Interest (CPI) und Cost-per-Order (CPO) sowie auch der gesamte Return-on-Invest, der Kampagnen-ROI, errechnen.

Das Kampagnen-Tracking folgte der Logik des kybernetischen Regelkreises, bestehend aus Ergebnismessung, Generierung von Learnings und laufenden Ergebnisoptimierungen (Abb. 5). Aufgrund dieses Vorgehens hatte die Kampagne modellhaften Charakter für spätere Maßnahmen des Kunden. Denn zum einen konnten bereits während des Kampagnen-Betriebs fallweise einzelne Kanäle nachjustiert werden – etwa indem auf zusätzliche Anzeigenschaltungen verzichtet wurde. Darüber hinaus ergaben sich aus der Ex-post-Analyse die Stellschrauben für Budgetallokationen späterer Maßnahmen. Dies schließt eine wichtige Erkenntnis ein: Den gewünschten Effizienzgewinn realisiert man mit Multikanalkampagnen nur, wenn man in längerfristigen Horizonten plant. Denn nur im revolvierenden Verlauf von aufeinander bezogenen Aktionen lassen sich die kanalspezifischen Ergebnisse so analysieren, dass die Ausgaben pro Kanal leistungsbezogen verteilt werden können.


Beispielhafte Einzelergebnisse der Kampagne

39,15 Prozent aller in der Filiale getätigten Abschlüsse wurden aus Anzeigen und Beilagen gewonnen, gefolgt von POS (Point of Sale)-Materialien mit 30,62 Prozent. DRTV (Direct Response Television) und Events brachten es zusammen auf annähernd 24 Prozent. Mailings und Online verblieben mit 3,68 und 2,71 Prozent im unteren einstelligen Bereich. Sieht man genauer hin, so relativieren sich diese Zahlen allerdings: Immerhin 17 Prozent aller Interessierten gingen in der ersten Reaktionsschleife auf die Kampagnen-Microsite und erhielten dort weitere Informationen zum Produkt. Zudem waren die Schaltkosten pro Reagierer aus dem Internet deutlich günstiger als die vergleichbaren Aufwendungen für Zeitschriften und TV (Abb. 6).

Ohne Print hätte sich gleichwohl wenig bewegt: 55 Prozent aller Erst-Responses erfolgten als schriftliche Antwort aus Print-Werbemitteln, und bevor es zu einer Terminanfrage kam, bestellten 91 Prozent zuvor das Info-Package mit ausführlichen Produktinformationen. Print spielte für die Potenzialausschöpfung des Marktes somit eine entscheidende Rolle, wofür sicher auch das äußerst erklärungsbedürftige Produkt verantwortlich war: eine Top-Innovation aus dem Investmentbanking, gespickt mit Charts und Formelwissen! Selbst erfahrene Anleger lesen so etwas lieber doppelt und dreifach durch, alles Schwarz auf Weiß dokumentiert, bevor sie weiteres Interesse bekunden.

Um einem naheliegenden Missverständnis zu begegnen: Das reine Zahlenwerk ersetzt natürlich kein Praxiswissen. Marketingplaner müssen sich weiterhin auf ihre Erfahrung und ihr Fingerspitzengefühl verlassen, um sinnvolle Konsequenzen aus den umfangreichen Datenreihen zu ziehen, die sich mit Multikanalkampagnen gewinnen lassen. Gegebenenfalls werden sie auch weitere Messungen berücksichtigen müssen, etwa zur Imageverbesserung der Marke. Nur so lässt sich angemessen beurteilen, ob sich beispielsweise der Einsatz von DRTV lohnt, wenn man außer auf die harte Währung Response zusätzlich aufs Branding setzt.


Social Media und Outernet in Multikanalkampagnen

Anfänglich diente das Internet vor allem der Informationsbeschaffung (Web 1.0). Es bot wenig mehr als die Nachbildung auch offline verfügbarer Inhalte. So konnte man den Inhalt einer einfachen Website zur Not auch als gedrucktes Unternehmensprofil verschicken. Doch dann mutierte das Internet zum Mitmach-Web (Web 2.0). Social Media und User Generated Content stellten dem Nutzer qualitativ neue Angebote zu Verfügung. Fakt ist: Facebook lässt sich nicht drucken. Nur wer online ist, erlebt es auch. Gegenwärtig erfahren wir die Evolution des Internets zum Outernet (Web 3.0). Vieles, was es zuvor bereits gab, wird dank neuer Techniken und Endgeräte um die Dimension der mobilen Kommunikation erweitert und wiederum auf eine neue Evolutionsstufe gehoben.

Der Entwicklungspfad folgt der zuvor angesprochenen Ausdifferenzierung der Kommunikationskanäle: Social Media (Web 2.0) und Outernet (Web 3.0) sind so sehr auf ihre Eigenfunktionen gepolt, dass sie durch keine anderen Medien substituierbar sind. Die Konsequenz: Mehr denn je geht es um die sinnvolle Verknüpfung sich ergänzender Medien im Kanalverbund.


Der Einsatz von Social Media in Multikanalkommunikation

Das amerikanische Unternehmen Cisco Systems betrieb Direktmarketing in der Vergangenheit aus vertriebsorientierter Sicht. Übers Jahr gesehen, führte dies zu heftigen Schwankungen des Konsumenteninteresses. Sobald die Push-Impulse nachließen, erlahmte die Bereitschaft, sich mit Cisco auseinanderzusetzen. Die Flaute bis zur nächsten größeren Kampagne wurde mit Presseveröffentlichungen überbrückt. Der Konsument nahm es zur Kenntnis. Mehr nicht. Eine spürbare Veränderung ergab sich erst durch die Nutzung von Social Media, wodurch das Interesse am Unternehmen im Jahresverlauf kontinuierlich zunahm und sich die Beziehungsqualität nachhaltig verbesserte (Abb. 7). Wie sind die Effekte erklärbar?

Posts auf Facebook, Tweets auf Twitter, Corporate-Blogs, Beiträge auf YouTube ermöglichen nicht nur eine zeitnahe Verbreitung aktueller News, Presseberichte, Filme und Links auf anderen Seiten, sondern das Unternehmen profitiert zudem vom Realtime-Feedback seitens der User. Eine neue Qualität der Kommunikation, die es erlaubt, Dialoge analog der Realwelt wie unter Gleichen zu führen. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die Verbreitungseffekte von Social Media sind potenziell unbegrenzt. Many2many statt one2one.

Social Media bringt eine Entwicklung auf den Punkt, die das „Cluetrain Manifest“ schon im Jahr 2000 beschrieb und die sich seitdem mit evolutionärer Zwangsläufigkeit im Markt durchsetzt. Die Autoren meinten bereits damals, „dass ein natürliches Gespräch zwischen Menschen auch die wahre Sprache der Wirtschaft ist, dass Unternehmen dann am besten arbeiten, wenn die Menschen in den Unternehmen den größtmöglichen Kontakt zu den Menschen außerhalb eines Unternehmens haben.“ Heute nutzen fast alle Dax-30-Konzerne Social Media, vornehmlich in PR und Unternehmenskommunikation (70 Prozent), gefolgt von Marketing (53 Prozent), Kundenmanagement (47 Prozent), Recruitment (37 Prozent) und Vertrieb (22 Prozent) (Abb. 8).


Die Evolution des Internets zum Outernet

Ist das einer der schillernden neuen Begriffe, mit denen man Uneingeweihte auf Trendveranstaltungen beeindruckt? Keineswegs. Den Zugang zum Outernet halten weltweit schon mehr als 75 Prozent aller Handybesitzer in der Hand. Denn sie verfügen bereits über ein internetfähiges Mobile. Damit sind die Voraussetzungen für einen breitenwirksamen Einstieg ins Outernet gegeben. Die Möglichkeiten? Im Prinzip alles, was aus dem Internet bereits bekannt ist, also Verlinkung auf andere Seiten, Personalisierung, Suchfunktion und Interaktion – aber übertragen auf physische Objekte in der realen Umwelt. Zum Beispiel: Object Hyperlinking. Mit der Applikation „kooaba Visual Search“ kann der User Objekte abfotografieren und bekommt in Sekundenschnelle nützliche Informationen auf das mobile Endgerät geliefert. Auf diese Weise kann er beispielsweise an Direktmarketing-Aktionen teilnehmen, weitere Informationen einholen und die Aktion per Facebook oder Twitter Freunden empfehlen, alles von unterwegs aus und in Echtzeit. Mit dem Outernet erobert das Web die Straße. Auch Autos, Plakatwände können bereits wie Hyperlinks angeklickt werden, um auf Informationen und Services zuzugreifen. Es braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, welch mächtigen Schub Print-gestützte Kommunikation dadurch gewinnen kann, besonders wenn junge technologieaffine Konsumentengruppen angesprochen werden.

Die Nutzung des Outernets zu Marketingzwecken steckt derzeit zwar noch in den Kinderschuhen. Aber Applikationen wie „Passport to Greatness“ von Guinness und „Soundwalk“ von Louis Vuitton lassen erahnen, wo die Reise hingeht. Durch Berücksichtigung von Faktoren wie Ort, Zeit, Profil, Stimmung und Status gelingt es, den Konsumenten bedürfnisgerechter und sensibler anzusprechen denn je. Kontextuelles Targeting lautet der Fachbegriff dafür.

Durch die Vervielfältigung der Kommunikationswege im Outernet werden Kampagnen-Architekturen weiter an Komplexität zunehmen. Dadurch gewinnt die Frage an Dringlichkeit, wie Marketing-Budgets zielführend zu allokieren sind. Weiter kommt man hier nur, wenn man sich nicht in kurzfristigen Taktiken verzettelt, indem man mal dieses und dann jenes ausprobiert, sondern indem man einer längerfristigen Strategie folgt. Dazu gehört unbedingt auch eine Device-Strategie: Sich klar darüber werden, welche Endgeräte – PC, Smartphones, Tablets – für die Zielgruppen relevant sind und ob beziehungsweise wie sie sich im Kanalverbund zu einem sinnvollen Ganzen ergänzen!


Die Entwicklung einer kreativen Kampagnen-Idee

Die Strategieorientierung im Marketing und die Technisierung der Kommunikation mögen dazu verführen, die kreative Umsetzung von Multikanalkampagnen als zweitrangig zu erachten, als bloße Verpackung der im eigentlichen Sinne wertschöpfenden Inhalte. Nichts wäre falscher als das. Gerade weil sich die Kommunikation kanalspezifisch ausdifferenziert, ist die kreative Umsetzung in hohem Maße wertschöpfend. Ohne eine brillante Idee nutzt auch die cleverste Device-Strategie und leistungsfähigste Kampagnen-Datenbank nichts.

Als Kampagnen aus wenig mehr als zwei, drei Mailingwellen und ein paar zusätzlich geschalteten Anzeigen bestanden, war die kreative Idee schnell gefunden. Es reichte ein Key-Visual, das identisch auf alle Werbemittel appliziert wurde. Damit war der Wiedererkennbarkeit genüge getan, und die Sache hatte sich. Angesichts der heutigen Kanalvielfalt fragt sich: Wie geht man im TV-Film mit dem Visual um? Was passiert auf der Facebook-Fanseite? Wie verdichtet man den Kerndanken auf Twitter mit seinen gerade mal 140 erlaubten Zeichen?

Die Eigenfunktionen der Kanäle verlangen von der Kreation ein hohes Maß an Flexibilität. Andererseits darf der Blick fürs Ganze nicht verloren gehen. Wie gelingt das? Bevor die Kreativen loslegen, empfiehlt es sich, eine Single-Minded-Proposition zu erarbeiten: Welches ist der einzigartige, am meisten motivierende und differenzierende Aspekt, der der gesamten Kampagne zugrunde liegt? Erst nach Beantwortung dieser Frage wird die Kernidee, die kreative Essenz entwickelt. Sie konkretisiert sich in Konzeptboards und Kampagnen-Moods. Damit sind die großen Pflöcke abgesteckt, die den Korridor des Möglichen eingrenzen. Zugleich ist damit aber auch der nötige Freiraum geschaffen, um die Kampagne so zu „erzählen“, wie es das jeweilige Medium erfordert.


Fazit

Die Konsumenten auf einer Vielzahl von Wegen erreichen, um das Potenzial – den Share-of-Wallet und den Share-of-Market – möglichst umfassend auszuschöpfen: Das ist das Kernziel jeder Multikanalkampagne. Die funktionsspezifische Ausdifferenzierung der Kanäle erlaubt es dem Marketingplaner, Vorannahmen über Wirkungen und Kosten zu treffen. Aber wie die Kanäle tatsächlich performen, welche Leistungsbeiträge sie für den Kampagnen-ROI erzielen, weiß man im Detail immer erst ex post. Wer auf Lehrbuchwissen vertraut, um so etwas wie eine todsichere Budgetallokation vorzunehmen, begibt sich der Chance, Neues zu testen. Am besten nähert man sich der Kampagnenplanung mit heuristischem Denken. Neben den bewährten, vielfach ausgetesteten Maßnahmen auch Ungewöhnliches ausprobieren, die Ergebnisse tracken und, falls angebracht, einzelne Kanäle bereits während der laufenden Kampagne nachjustieren!


Literatur

[1] PWC auf Basis FFA, BVV, ZAW, GfK, VDZ, Fachpresse-Statistik, BDZV, BIU, Börsenverein u.a., 2010.
Cisco Social Media Playbook: Best Practice Sharing. – 2010.[3] Wiwo Umfrage Mai 2010, Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich.
Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. – Opladen, 1996.
Lindstrom, Martin: Buy.Ology. Truth and lies about why we buy. – New York 2008.
Locke, Levine/Weinberger, Searles: Das Cluetrain Manifest. 95 Thesen für die neue Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter. – München 2000.

http://www.sueddeutsche.de/medien/wv-studie-ueber-mediennutzung-weniger-zeit-mitmedien-1.1001158
http://www2.royalmail.com/marketing-services/improve-your-direct-mail/campaignsolutions/sensational-mail
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